Eine skandaloese Liebesfalle
sie war, wie alle Welt glaubte, einem verhängnisvollen Sturz auf der großen Treppe im Stadthaus der Familie zum Opfer gefallen. Sie war zu spät heimgekehrt und hatte ein wenig zu viel getrunken gehabt, sodass sich ein Absatz ihrer Tanzschuhe auf der Stufe verfangen hatte und sie gestürzt war.
Ihr Tod hatte Vere und Freddie schwer getroffen.
Ihr Blut konnte nicht mit der Reinheit aufwarten wie das ihres Mannes, ihre Familie ließ sich nicht bis zu den normannischen Eroberern zurückverfolgen, Dinge, auf die der Marquess selbst so stolz war. Ihr Vater hatte in den Augen des Marquess trotz seines überragenden Reichtums kaum mehr als ein Hausierer gegolten. Als einziges Kind eines unglaublich reichen Mannes hatte sie sehr wohl gewusst, dass mit ihrer Mitgift die Schulden ihres Ehegemahls bezahlt und die Besitzungen instand gesetzt werden konnten. Und sie hatte ihre Kinder beschützt, vor allem Freddie, vor den Wutausbrüchen und den unberechenbaren Launen des Marquess.
Die gegenseitige Abneigung zwischen dem Marquess und der Marchioness war allgemein bekannt gewesen. Der verschwenderische Marquess hatte die beträchtliche Mitgift, die seine Frau mit in die Ehe gebracht hatte, schnell aufgebraucht und neue Schulden angehäuft. Mr Woodbrigde, Veres Großvater mütterlicherseits, war kein Narr und sorgte durch direkte Unterstützung dafür, dass seine Tochter mit allem ausgestattet war: Er zahlte ihre Kleider, ihren Schmuck und ihre Reisen, damit sie und ihre Söhne fernab von Ehemann und Vater sein konnten.
Doch trotz der häuslichen Spannungen hatte nie jemand irgendeinen Verdacht geschöpft, dass bei ihrem Tod nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war. Oder wenigstens hatte niemand es je gewagt, den Marquess zu beschuldigen. Sechs Monate später hatte er erneut geheiratet, eine weniger wohlhabende Erbin dieses Mal, aber eine, die bereits im Besitz ihres Erbes war - dieses Mal gab es keinen lästigen Schwiegervater.
Damit war gewissermaßen besiegelt, dass der Tod der ersten Marchioness schlicht und ergreifend ein Unfall gewesen war.
Und das hatte auch Vere geglaubt, bis zu diesem furchtbaren Augenblick. Er wollte sich verstecken. Er wollte weglaufen. Er wollte die Tür mit einem Fußtritt aufstoßen und das, was im Zimmer vor sich ging, unterbrechen. Aber er stand wie erstarrt, unfähig, auch nur einen einzigen Muskel zu bewegen.
„Ich nehme an, Sie bereuen, Mylord?“, fragte der Geistliche mit leicht quietschender Stimme.
„Nein, ich würde es wieder tun, wenn ich müsste - ich konnte sie keine Minute länger ertragen“, antwortete der Marquess. Er lachte, ein schrecklich pfeifendes Lachen. „Aber ich nehme an, wir müssen uns an die Formalitäten halten, was? Ich sage Ihnen, dass es mir leidtut, und Sie sagen mir, alles ist gut auf Gottes weiter grüner Erde.“
„Das kann ich nicht“, rief der Pfarrer. „Ich kann weder Ihre Tat noch Ihre halsstarrige Art und Weise dulden.“
„Das werden Sie noch“, erwiderte der Marquess mit unverminderter Gehässigkeit. „Oder die Welt wird schließlich doch erfahren, warum sie ein so entschiedener Junggeselle sind. Schämen Sie sich, Reverend Somerville - sich mit einem verheirateten Mann einzulassen. Seine unsterbliche Seele wird auf immer verdammt sein - und Ihre eigene auch.“
Vere drehte sich um und ging fort. Er konnte nicht bleiben und zuhören, wie der Marquess ein letztes Mal seinen Willen durchsetzte, nicht nachdem er mit einem Mord an seiner Mutter davongekommen war.
Die Beerdigung des Marquess war furchtbar, viele Menschen wollten ihm die letzte Ehre erweisen. Sein hehrer Charakter und seine guten Taten wurden in höchsten Tönen gelobt von denjenigen, die entweder nicht gewusst hatten oder denen es egal war, was für ein Schuft er in Wahrheit gewesen war.
In der Nacht nach der Beisetzung hatte Vere zum ersten Mal seinen Albtraum. Es war egal, dass er nie seine Mutter tot auf der Treppe gesehen hatte; jetzt fand er sie wieder und wieder und wieder - kalt und mit gebrochenem Genick am Fuß der Treppe.
Drei Monate später hielt Vere es nicht mehr aus und vertraute sich seiner Großtante Lady Jane an.
Lady Jane hörte ihm voll Mitgefühl und einfühlsam zu. Dann sagte sie: „Es tut mir so leid. Es hat mich schon schwer getroffen, als ich es von Freddie erfahren habe. Und es trifft mich nicht weniger jetzt, da ich es von dir höre.“
Diese Bemerkung und das, was sie enthüllte, entsetzte Vere nahezu so sehr wie die Wahrheit über den
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