Eine skandalöse Versuchung
zu kontaktieren, die er auf die Suche nach Mountford angesetzt hatte -, bevor er sich erneut zum Montrose Place begab, um Leonora dazu zu verleiten, ihn in den Richmond Park zu begleiten. Er hatte sich gut vorbereitet; alle Welt begab sich zum Tee ins Star and Garter , um zu sehen und gesehen zu werden.
Auf das »gesehen werden« kam es ihm an.
Leonora fühlte sich erstaunlich unbeschwert, als sie an Trenthams Seite unter den Bäumen entlangspazierte - ihre Hand fest in der seinen. Dies entsprach zwar nicht ganz den Gepflogenheiten, aber als sie ihn darauf hinwies, zog er lediglich eine Braue hoch und hielt weiterhin ihre Hand, gänzlich unbeeindruckt.
Ihre positive Stimmung verdankte sie ihm; sie konnte sich nicht vorstellen, in Gesellschaft irgendeines anderen Gentlemans etwas Vergleichbares zu empfinden.
Ihr war durchaus bewusst, in welche Gefahr sie sich dabei begab; dass sie die unerwartete Nähe, die völlig unerwartete Vertrautheit - den feinen Nervenkitzel, an der Seite eines Wolfs zu spazieren
- bitterlich vermissen würde, wenn er sie schließlich aufgeben und ihr Lebewohl sagen würde.
Aber es war ihr gleichgültig. Wenn es so weit wäre, würde sie gewiss Trübsal blasen, aber vorerst war sie fest entschlossen, jeden Augenblick dieses kleinen frühlingshaften Intermezzos voll auszukosten. Nicht in ihren kühnsten Träumen hätte sie sich vorgestellt, dass aus schlichter körperlicher Intimität - dem einmaligen Akt der geschlechtlichen Vereinigung - ein so unbeschwertes Zusammensein erwachsen könnte.
Es würde kein zweites Mal geben. Entgegen ihrer vorherigen Erwartungen hatte er nicht einmal gewollt, dass es einmal passierte, und ungeachtet der Dinge, die er von sich gab, würde er ihr gewiss nicht gegen ihren Willen zu nahe treten. Nun, da sie wusste, dass er es als seine Pflicht ansah, sie zu heiraten, würde sie sich erst recht auf keine weiteren Intimitäten mit ihm einlassen. Sie war nicht dumm genug, ihr Schicksal aufs Neue herauszufordern.
Ganz gleich, wie sie sich in seiner Nähe auch fühlte.
Ganz gleich, wie sehr das Schicksal sie auch herausfordern mochte.
Sie sah ihn flüchtig an.
Er begegnete ihrem Blick, zog die Brauen hoch. »Ich würde einiges darum geben, deine Gedanken lesen zu können.«
Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Meine Gedanken sind viel zu wertvoll.« Und viel zu gefährlich.
»Wie viel sind sie dir denn wert?«
»Mehr als du zahlen könntest.«
Als er ihr nicht sofort antwortete, sah sie erneut zu ihm auf.
Er erwiderte ihren Blick. »Bist du dir da sicher?«
Sie wollte die Frage schon mit einem Lachen abtun, als sie den wahren Sinn seiner Worte in seinen Augen las. Sie begriff mit einem Mal, dass seine Gedanken - wie so oft - in genau dieselbe Richtung gingen wie ihre. Dass er ganz genau wusste, woran sie dachte, und er im Gegenzug buchstäblich dazu bereit war, jeden erdenklichen Preis zu zahlen …
All das stand in seinen Augen geschrieben - in haselnussbraunes Kristall graviert, klar und deutlich. Es kam inzwischen nur noch selten vor, dass er ihr gegenüber seine gewohnte Maske aufsetzte, zumindest nicht, wenn sie beide allein waren.
Sie waren immer langsamer geworden; schließlich blieben sie stehen. Leonora atmete gezwungen ein. »Ja.« Welchen Preis er auch immer zu zahlen bereit war, sie konnte und würde sein Angebot nicht annehmen.
Schließlich bemerkte er schlicht: »Wir werden sehen.«
Sie lächelte freundlich, freundschaftlich, dann schritten sie weiter.
Nachdem sie das Rotwild beobachtet und ausgiebig unter den Eichen und Buchen entlangflaniert waren, gingen sie zurück zu seinem Zweispänner und begaben sich ins Star and Garter .
»Ich bin schon seit Jahren nicht mehr hier gewesen«, gab Leonora zu, während sie sich an einen Fenstertisch setzte. »Seit dem Jahr meines Debüts nicht mehr.«
Sie wartete ab, während er Tee und Gebäck bestellte, danach sprach sie weiter. »Ich muss gestehen, ich kann mir dich schwerlich als jungen Mann auf dem gesellschaftlichen Parkett vorstellen.«
»Vermutlich, weil ich mich dort nie bewegt habe.« Er lehnte sich zurück und sah sie an. »Mit zwanzig bin ich in die Garde eingetreten, quasi direkt nach Oxford.« Er zuckte mit den Schultern. »In meinem Zweig der Familie war dies der übliche Werdegang - wir waren sozusagen der militärische Arm der Familie.«
»Und wo warst du stationiert? Du hast doch gewiss die Bälle der nächstgelegenen Stadt besucht?«
Er unterhielt sie mit Geschichten
Weitere Kostenlose Bücher