Eine skandalöse Versuchung
Seite; sie blickte zu ihm auf und lächelte.
»Ach, da sind Sie ja.«
Er nahm ihre Hand und führte sie flüchtig an die Lippen, dann legte er sie auf seinen Arm, wie er es gewohnt war. Leonora zog halbherzig die Augenbrauen hoch - quasi resigniert - und wandte sich wieder den anderen zu. »Darf ich Sie einander vorstellen?«
Das tat sie; sein Herz machte einen Satz, als er hörte, dass die andere Dame Whortons Ehefrau war. Äußerlich völlig ungerührt erwiderte er die Begrüßung.
Mrs Whorton lächelte ihn freundlich an. »Wie ich gerade sagte - es hat sich als überaus anstrengend erwiesen, die schulische Laufbahn unseres Sohnes angemessen zu planen …«
Zu seiner grenzenlosen Überraschung sah Tristan sich unvermittelt in die Diskussion verwickelt, auf welche Schule man die Whorton-Bälger am besten schicken solle. Leonora steuerte ihre Erfahrungen hinsichtlich Jeremys Schulbildung bei; und Whorton schien ihre Meinung in seine Erwägungen ernsthaft einbeziehen zu wollen.
Entgegen Gerties Mutmaßungen machte Whorton keinerlei Anstalten, Leonora zu umgarnen oder ihre ehemalige Zuneigung wieder anzufachen.
Tristan beobachtete Leonora aufmerksam, aber außer ihrer gewohnten Selbstsicherheit und ihrem ruhigen, anmutigen Auftreten konnte er ihr nichts anmerken. Was immer sie einst für Whorton empfunden haben mochte, war bei Weitem nicht mehr stark genug, um ihren Puls schneller werden zu lassen. Er pochte gleichmäßig unter seinen Fingern - sie war vollkommen entspannt.
Und das, obwohl sie gerade über Kinder plauderte, die unter anderen Umständen ihre eigenen hätten sein können.
Er fragte sich, wie sie überhaupt zu Kindern stand, während ihm zugleich bewusst wurde, dass er ihre positive Haltung gegenüber
seinen Nachkommen immer als selbstverständlich vorausgesetzt hatte.
Er überlegte, ob sie womöglich sein Kind bereits in sich trug.
Sein Magen verkrampfte sich; eine heftige Welle von Besitzanspruch überrollte seinen Körper. Äußerlich zeigte er kaum mehr als ein Wimpernzucken, aber Leonoras Blick war plötzlich auf ihn gerichtet; mit einem besorgten Stirnrunzeln sah sie ihn dezent fragend an.
Der Anblick beruhigte ihn. Er lächelte entspannt; sie blinzelte ihn an, studierte seine Augen und wandte sich wieder Mrs Whortons Plauderei zu.
Schließlich begannen die Musiker, ihre Instrumente zu stimmen. Tristan nutzte den Anlass, um von den Whortons Abschied zu nehmen und Leonora auf direktem Wege auf die Tanzfläche zu führen.
Er zog sie in seine Arme und stürzte sich mit ihr in einen wirbelnden Walzer.
Erst jetzt konzentrierte er sich auf ihr Gesicht und bemerkte den leidgeprüften Ausdruck darin.
Er blinzelte, zog fragend die Brauen hoch.
»Mir ist bewusst, dass ihr Männer vom Militär es gewohnt seid, stets prompt zu reagieren, aber in den Tanzsälen der besseren Gesellschaft ist es durchaus geziemend, eine Frau vorher zu fragen , ob sie überhaupt tanzen will.«
Er erwiderte ihren Blick für einen Moment, dann entgegnete er: »Ich bitte um Verzeihung.«
Sie wartete ab, dann riss sie ihre Augen fragend auf. »Und - wirst du mich nun fragen?«
»Nein. Wir tanzen nämlich schon; die Frage wäre also überflüssig. Und außerdem könntest du Nein sagen.«
Sie blinzelte, dann lächelte sie ihn belustigt an. »Das werde ich demnächst auch mal versuchen.«
»Besser nicht.«
»Und wieso nicht?«
»Weil dir das Ergebnis nicht gefallen würde.«
Sie sah ihn eindringlich an; schließlich seufzte sie übertrieben.
»Sie sollten dringend an Ihren Umgangsformen arbeiten, Lord Trentham. Ihre besitzergreifende Art ist alles andere als akzeptabel.«
»Ich weiß. Glaube mir, ich arbeite fieberhaft an einer Lösung. Deine Mithilfe wäre mir überaus willkommen.«
Sie kniff die Augen zusammen, dann reckte sie ihre Nase hoch in die Luft und blickte gezielt an ihm vorbei. Sie gab sich empört darüber, dass er das letzte Wort behalten hatte.
Er wirbelte sie in eine schwungvolle Drehung hinein und widmete sich gedanklich einer weiteren winzigen, wenn auch wichtigen Angelegenheit, die dringend einer sachdienlichen Klärung bedurfte und die er daher umgehend ansprechen sollte.
Männer vom Militär . Ihre Erinnerungen an Whorton, wie blass und unscharf sie auch immer sein mochten, waren gewiss keine glücklichen - und höchstwahrscheinlich steckte Leonora ihn und Whorton in dieselbe Schublade.
13
»Großartig!« Leonora blickte sofort auf, als Tristan den Raum betrat. Sie räumte eilig ihren
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