Eine skandalöse Versuchung
Grund, weshalb wir Sie so unvermittelt aufgesucht haben und so offen mit Ihnen reden.« Er beugte sich vor, die Hände im Schoß gefaltet; er sah Henry Timmins tief in seine blassblauen Augen. »Der Tod Ihrer Großtante ist zutiefst bedauerlich, und wenn Mountford tatsächlich dafür verantwortlich ist, sollte er gefasst und zur Rechenschaft gezogen werden. Angesichts der derzeitigen Umstände würde ich es geradezu als poetische Gerechtigkeit erachten, wenn wir die Situation, die durch Miss Timmins’ Ableben entstanden ist, zu seinen Ungunsten nutzen und ihm eine Falle stellen würden.«
»Eine Falle?«
Leonora musste die Frage nicht erst ausgesprochen hören, um zu erkennen, dass Henry Timmins absolut fasziniert und gefesselt war. Ganz so wie sie selbst. Sie rutschte auf ihrem Platz nach vorn, um Tristans Gesichtsausdruck besser beobachten zu können.
»Außer denjenigen, die bereits davon wissen, wird niemand auf die Idee kommen, dass Miss Timmins womöglich nicht eines natürlichen Todes gestorben ist; und diejenigen, die sie kannten, werden sie gebührend betrauern. Sie, als ihren rechtmäßigen Erben, möchte ich bitten, das Haus Nummer sechzehn am Montrose Place zu vermieten.« Er deutete mit einer Handbewegung auf das Haus, in dem sie sich gerade befanden. »Sie haben derzeit offensichtlich keine Verwendung für ein Haus in der Stadt. Andererseits kann einem vernünftigen Mann wie Ihnen nichts daran gelegen sein, das Anwesen übereilt zu verkaufen. Das Haus zu vermieten, wäre daher die naheliegendste Entscheidung, und niemand würde sich darüber wundern.«
Henry nickte. »Richtig, richtig.«
»Wenn Sie damit einverstanden sind, würde ich einen Freund bitten, als Makler aufzutreten und die Mietverhandlungen für Sie abzuwickeln. Natürlich würden wir nicht an irgendjemanden vermieten.«
»Sie nehmen an, Mountford wird auf Sie zukommen und das Haus mieten wollen?«
»Nicht Mountford persönlich. Miss Carling und ich wissen, wie er aussieht. Er wird zweifellos einen Mittelsmann schicken, doch letzten Endes ist er derjenige, der sich Zutritt zum Haus verschaffen will. Wenn es erst einmal so weit ist und Mountford das Haus betritt, dann …« Tristan lehnte sich zurück; ein Lächeln, das kein Lächeln war, umspielte seine Lippen. »Nun, sagen wir, ich habe die richtigen Verbindungen, um sicherzustellen, dass er uns nicht wieder entkommt.«
Henry Timmins, die Augen deutlich geweitet, nickte unaufhörlich weiter.
Leonora war weit weniger leicht zu beeindrucken. »Glaubst du
wirklich, dass Mountford sich nach allem, was passiert ist, noch trauen wird, persönlich aufzutauchen?«
Tristan wandte sich ihr zu; sein Blick war hart und kalt. »Wenn man bedenkt, wie weit er bereits gegangen ist, würde ich einiges darauf verwetten, dass er einer solchen Gelegenheit gewiss nicht widerstehen kann.«
Als sie am Abend zum Montrose Place zurückkehrten, hatten sie nicht nur Henrys Segen, sondern - wichtiger noch - ein von ihm aufgesetztes Schreiben an den Anwalt seiner Familie, das Tristan dazu ermächtigte, besagtem Anwalt hinsichtlich der Vermietung von Miss Timmins’ Haus Weisungen zu erteilen.
Als Tristan Leonora aus der Kutsche half, bemerkte er, dass im ersten Stock des Bastion-Klubs Licht brannte. Er zog seine Schlüsse …
Leonora strich ihr Kleid glatt, dann hakte sie sich bei ihm ein.
Er sah auf sie hinab und verkniff sich einen Kommentar darüber, wie sehr er diese bescheidene Geste weiblicher Ergebenheit schätzte. Er stellte zunehmend fest, dass Leonora diese kleinen, aufschlussreichen Dinge ganz instinktiv tat, ohne sich selbst darüber bewusst zu sein; er sah keinerlei Grund, weshalb er sie auf ihr Verhalten hinweisen sollte.
Gemeinsam schritten sie den Weg zum Haus der Carlings hinauf.
»Wen hast du denn eigentlich für die Rolle des Maklers vorgesehen?« Leonora sah zu ihm auf. »Du kannst die Aufgabe schließlich nicht selbst übernehmen. Mountford weiß, wie du aussiehst.« Sie musterte seine Züge. »Selbst in einer deiner berühmten Verkleidungen könntest du nicht sicher sein, dass er dich nicht erkennt.«
»Richtig.« Tristan warf einen flüchtigen Blick zum Bastion-Klub, während sie die Eingangsstufen hinaufgingen. »Ich werde dich hineinbegleiten, um kurz ein Wort mit Humphrey und Jeremy zu wechseln, und dann werde ich noch nebenan vorbeisehen.« Er begegnete ihrem Blick, während sich die Haustür öffnete. »Es wäre
möglich, dass sich einige meiner Mitinhaber zurzeit in
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