Eine skandalöse Versuchung
Blick in seine Geste ein, während er ihnen seinen geballten Charme entgegenstrahlen ließ. »Herzlichen Dank.«
Die Worte kamen tatsächlich von Herzen.
Sie lächelten alle und nickten, hocherfreut, ihm einen Dienst erwiesen zu haben.
»Wir hatten auch nicht angenommen, dass das turbulente gesellschaftliche Treiben für dich so unverzichtbar wäre«, tat Hortensia
ihre Meinung kund. Sie grinste zu ihm auf. »Für uns im Übrigen auch nicht.«
Er hätte sie alle küssen können. Da er sich jedoch lebhaft vorstellen konnte, wie sehr das die meisten von ihnen aus der Fassung gebracht hätte, begnügte er sich stattdessen damit, an diesem Abend ganz besonders auf seine Garderobe zu achten und sich dann rechtzeitig in den Salon zu begeben, um jede von ihnen einzeln mit einer Verbeugung zu begrüßen und ihnen Komplimente über ihre Kleidung, ihre Frisuren oder ihren Schmuck zu machen; und all das mit seinem gewinnenden Charme, den er nur allzu sicher einzusetzen wusste, was er aber nur selten ohne konkrete Hintergedanken tat.
Sein einziger Hintergedanke an diesem Abend war, ihnen für ihre Güte und ihre Aufmerksamkeit zu danken.
Noch nie in seinem Leben hatte ihn die Aussicht auf ein familiäres Abendessen mit einer solchen Dankbarkeit erfüllt.
Während sie im Salon das Eintreffen der Gäste erwarteten, musste er darüber nachdenken, wie unverhältnismäßig seine kleine Familienversammlung nach außen hin erscheinen musste: Er als einziger Mann stand am Kamin, umringt von vierzehn älteren Damen. Doch sie waren seine Familie; er fühlte sich zwischen ihnen und ihrem munteren Geplapper weitaus wohler als in der glitzernden, aufregenden, aber auch arglistigen Welt der edlen Gesellschaft. Er hatte mit ihnen eines gemeinsam - sie alle waren Teil eines unsichtbaren Netzes von Menschen, deren Schicksale über die Jahrhunderte hinweg an denselben Ort, denselben Ursprung gebunden waren.
Bald würde auch Leonora ein Teil dieses Netzes werden, und sie würde sich wunderbar hineinfügen.
Havers trat ein, um Lord und Lady Warsingham sowie Miss Carling - Gertie - anzukündigen. Unmittelbar im Anschluss trafen auch Sir Humphrey, Leonora und Jeremy ein.
Jede Befürchtung, dass er als formeller Gastgeber würde auftreten
müssen, hatte sich innerhalb von Minuten zerschlagen. Sir Humphrey wurde von Ethelreda und Constance in Beschlag genommen, Jeremy wurde von einigen anderen Damen umgarnt, und Lord und Lady Warsingham erlagen dem Wemyss’schen Charme, den Hermine und Hortensia verströmten. Gertie und Millicent, die sich bereits am Vorabend kennengelernt hatten, steckten ebenfalls rasch die Köpfe zusammen.
Nachdem Leonora ein paar Worte mit den übrigen Damen gewechselt hatte, gesellte sie sich zu ihm. Sie reichte ihm die Hand und schenkte ihm ihr ganz spezielles Lächeln, das allein ihm vorbehalten war. »Ich muss sagen, ich war hocherfreut über den Vorschlag deiner Großtanten. Nach Miss Timmins’ Beerdigung heute Morgen hätten Lady Willoughbys Ball und die Aussicht, mit jenem fragwürdigen Interesse - wie du es so schön nanntest - umgehen zu müssen, meine Geduld gewiss auf eine harte Probe gestellt.« Sie blickte auf und sah ihm in die Augen. »Genauso wie deine.«
Er neigte zustimmend den Kopf. »Und dabei war ich nicht einmal auf der Beerdigung. Wie war es denn?«
»Bescheiden, aber aufrichtig. Ich glaube, Miss Timmins hätte sich über die Anteilnahme sehr gefreut. Henry Timmins hat die Andacht zusammen mit dem örtlichen Pfarrer abgehalten, und Mrs Timmins war auch dabei. Eine sehr nette Frau.«
Nach einer kurzen Pause drehte sie sich zu ihm um und senkte ihre Stimme. »Wir haben in Cedrics Zimmer einige Unterlagen gefunden, die in einem Korb mit Feuerholz versteckt waren. Es handelt sich nicht um Briefe, eher um Aufzeichnungen, ähnlich wie die in Cedrics Tagebüchern, aber das Bemerkenswerteste daran ist, Cedric hat sie nicht selbst geschrieben; sie sind in Carruthers Handschrift. Onkel Humphrey und Jeremy konzentrieren sich nun erst einmal hierauf. Onkel Humphrey sagt, es seien Beschreibungen zu Experimenten, so ähnlich wie die in Cedrics Tagebüchern, aber bislang haben die beiden noch keinen Weg gefunden, die Aufzeichnungen zu entschlüsseln oder überhaupt herauszufinden, ob sie irgendwie von Bedeutung sein könnten. Es scheint so,
als würden alle Dokumente, die wir bislang gefunden haben, nur einen Teil dessen ausmachen, woran die beiden zusammen gearbeitet haben.«
»Was wiederum den
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