Eine skandalöse Versuchung
Verstand allmählich zurückkehrte, war sie bereits viel zu gefesselt, viel zu fasziniert von den ihr unbekannten Freuden, als dass sie sich ihnen hätte entziehen wollen.
Tristan spürte dies - spürte es mit jeder Faser seines Körpers - und musste sich zwingen, seinem Hunger nicht freien Lauf zu lassen. Sie war gewiss schon geküsst worden, doch er hätte seinen nicht gerade unbedeutenden Ruf darauf verwettet, dass sie sich noch keinem Mann in dieser Weise geöffnet hatte.
Sie und ihr Mund gehörten nun ihm, und er genoss diese Tatsache, kostete sie so weit aus, wie die Grenzen eines Kusses es eben zuließen.
Es war natürlich völliger Irrsinn. Das war ihm inzwischen bewusst, doch in jenem hitzigen Moment, als sie ihren Schutz leichtfertig ihrem Hund anvertraut hatte - der im Übrigen, während er den zarten Mund seiner Herrin ausplünderte, geduldig danebensaß und wartete -, hatte Tristan einfach nur rot gesehen. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie sehr dieser natürliche Reflex in Wirklichkeit seiner unterdrückten Lust zuzuschreiben war.
Jetzt wusste er es.
Er hatte sie geküsst, um ihr ihre Schwäche vorzuführen.
Und hatte zugleich seine eigene entblößt.
Er war hungrig, nein, ausgehungert; und wie es das Schicksal wollte, erging es ihr genauso. Und nun standen sie hier, in der Stille des Gartens, eng ineinanderverschlungen, genossen den Moment, gaben und nahmen. Für sie war dies alles Neuland, doch das verlieh dem Ganzen nur noch eine besondere Würze, einen feinen Zauber - zu wissen, dass er es war, der sie auf diese neuen, unbekannten Pfade führte.
In Welten, die sie noch nie zuvor betreten hatte.
Ihre Wärme, ihre geschmeidige Stärke, ihre aufreizend weiblichen Kurven, die sich gegen seinen Körper drückten - kurz, die Tatsache, sie fest umschlossen in seinen Armen zu halten, drang tief und unerbittlich in sein Bewusstsein vor.
Bis ihm nach und nach überdeutlich wurde, was er eigentlich wollte und welche Büchse der Pandora er damit geöffnet hatte.
Leonora klammerte sich an ihn, während der Kuss fortdauerte, sich ausdehnte und vertiefte, neue Horizonte eröffnete und ihre Sinne schulte.
Ein Teil ihres verwirrten Verstandes war zweifelsfrei davon überzeugt, dass ihr keinerlei Gefahr drohte, dass sie in Trenthams Armen sicher war.
Dass sie diesen Kuss und alles, was damit zusammenhing, beruhigt zulassen konnte - vielleicht nicht, ohne es hinterher zu bereuen, aber zumindest ohne ein Risiko dabei einzugehen.
Dass sie diese kurze, intensive Leidenschaft, die er ihr darbot, auskosten und den Moment genießen konnte; dass sie ihr ausgehungertes Verlangen zumindest in gewissem Maße befriedigen und sich selbst eingestehen konnte, dass sie noch weitaus mehr wollte - und das alles in der Gewissheit, am Ende bedingungslos zurücktreten zu können und zu dürfen. Sie selbst bleiben zu können - zurückgezogen und sicher.
Und allein.
Daher machte sie keinerlei Anstalten, sich ihm zu entziehen.
Bis Henrietta winselte.
Trentham hob unvermittelt den Kopf. Er warf einen Blick auf den Hund, ließ sie jedoch nicht los.
Sie spürte, wie sie rot wurde, und war ausnahmsweise dankbar für die Dunkelheit. Sie schob ihn von sich und fühlte seine harte Brust wie warmen Fels unter ihren Händen. Sein nachdenklicher Blick durchforschte die Dunkelheit, während er seine Umarmung allmählich löste.
Sie räusperte sich, trat zurück und befreite sich aus seinen Armen, sodass sich ein sicherer Abstand ergab. »Ihr ist kalt.«
»Kalt?«
»Sie hat sehr feines Fell, keinen dichten Pelz.«
Er sah ihr in die Augen; sie hielt seinem Blick stand und war mit einem Mal peinlich verlegen. Wie verabschiedete man sich von einem Gentleman, der einen gerade …
Sie sah Henrietta an und schnippte mit dem Finger. »Ich werde sie besser reinbringen. Gute Nacht.«
Während sie sich abwandte und auf die Eingangstreppe zuschritt, sagte er kein Wort. Dann spürte sie plötzlich eine Bewegung.
»Einen Moment noch.«
Sie drehte sich um und sah ihn mit hochgezogenen Brauen an, so hochmütig sie nur konnte.
Sein Gesicht wurde hart. »Den Schlüssel.« Er streckte seine Hand aus. »Den Haustürschlüssel meines Hauses.«
Hitze schoss ihr erneut ins Gesicht. Sie griff in die Tasche und nahm den Schlüssel heraus. »Ich habe dem alten Mr Morrissey häufig einen Besuch abgestattet. Es fiel ihm schwer, über seine Einnahmen und Ausgaben ordentlich Buch zu führen.«
Er nahm ihr den Schlüssel ab und wog ihn in der
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