Eine Spur von Lavendel (German Edition)
Scheidung ein, als es ihr gesundheitlich wieder besser ging. Drei Wochen vor dem Scheidungstermin meiner Eltern erreichte mich im Büro ein Anruf von der neuen Lebensgefährtin meines Vaters. Sie wartete meine Reaktion auf ihren Anruf gar nicht erst ab, sondern teilte mir nur lakonisch mit, dass mein Vater im Universitätskrankenhaus liege und gerade eine Chemotherapie über sich ergehen lassen müsse. Erst zwei Wochen zuvor hatten sie von seiner Krankheit erfahren. Um es kurz zu machen, die Ärzte konnten ihm nicht mehr helfen, Linda. Sein Krebs war von der ganz besonders aggressiven Sorte. Er starb bereits drei Monate später … und meine Mutter saß jeden einzelnen Tag davon an seinem Bett. Allein, denn er wollte niemanden sonst dort sehen. Ihre Scheidung wurde natürlich niemals ausgesprochen.“ Alexander nahm einen letzten Zug und drückte mit zitternden Fingern seine Zigarette aus.
Linda wischte sich einige Tränen fort. „Das ist … furchtbar traurig. Es ist fast … als ob er bestraft worden wäre, für …“
„Ja“, unterbrach er sie. „Genauso haben wir das auch empfunden. Nach der Beerdigung meines Vaters machte sich in unserer Familie eine seltsame Ruhe breit, so eine Art Lähmung. Das änderte sich erst an meinem neunundzwanzigsten Geburtstag. Reny und ich luden meine Mutter und Henri zum Essen in unsere Wohnung ein. Es wurde ein ganz gemütlicher Abend, undwir lachten sogar wieder miteinander. Claudine ging es zusehends besser, und sie teilte uns im Laufe des Abends mit, dass sie mit dem Gedanken spiele, zurück in ihren Heimatort in die Provence zu gehen. Es gab dort unten ja noch immer das Haus und das dazugehörige, recht große Grundstück ihrer Eltern. Es stand seit Jahren leer, war aber durchaus noch bewohnbar. Meine Mutter hatte die Idee, das Haus gründlich zu renovieren und eine kleine Ferienpension daraus zu machen. Sie war damals gerade zweiundfünfzig Jahre alt, also absolut noch jung genug, um ein neues Leben zu beginnen. Henri und ich unterstützten sie sofort in ihrem Vorhaben. Danach ging alles sehr schnell. Innerhalb von zwei Monaten organisierten wir alle zusammen ihren Umzug nach Frankreich. Claudine versprach Adrienne und mir, zu unserer Hochzeit wieder nach Hamburg zu kommen, und wir brachten sie gemeinsam mit Henri zum Flughafen. Ich hatte an diesem Tag Dienst und bat meinen Bruder, Reny zurück nach Hause zu fahren, weil ich vom Flughafen aus sofort wieder zurück ins Büro musste.“
Er schluckte. „Adrienne und ich machten uns nun ernsthaft an die Planung unserer Hochzeit. Wir beschlossen, im darauffolgenden Frühjahr zu heiraten. Mein Leben verlief, wie man so schön sagt, wieder in geordneten Bahnen. Ich wurde befördert, wechselte in ein anderes Kommissariat und freute mich darauf, bald die Frau heiraten zu können, die ich liebte und mit der ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Dann wurde ich einer wichtigen Sonderkommission zugeteilt. Übrigens traf ich damals auch Frank noch einmal wieder. Für einige Zeit arbeiteten wir an demselben Fall. Er berichtete mir von seiner kleinen Familie …“ Alexander hielt erneut inne und strich mit der Spitze seines Zeigefingers über Lindas Wange. „… und ich erzählte ihm von meiner eigenen bevorstehenden Heirat.“
Über sein Gesicht huschte ein kleines Lächeln. „Offenbar harmonierten wir noch immer ganz gut miteinander, denn unsere gemeinsame Ermittlungsarbeit trug schon bald die ersehnten Früchte. Frank und ich erarbeiteten den entscheidenden Schritt zur Lösung des Falles und konnten die Täter entlarven. Nach derFestnahme lobte uns der damalige Leiter der Sonderkommission über den grünen Klee und schickte uns für den Rest des Tages in die Freizeit. Ich hätte gerne noch mit Frank auf unseren Erfolg angestoßen, aber er hielt es wohl für besser, unsere neue Bekanntschaft nicht wieder zu vertiefen, und verabschiedete sich bereits auf dem Parkplatz vor dem Präsidium von mir. Ich weiß noch, dass ich dachte: Na dann eben nicht. Stattdessen beschloss ich, mit Reny zu feiern, die sich sicherlich höllisch darüber freuen würde, dass die zeitraubende Arbeit in der Sonderkommission nun endlich wieder beendet war.“ Alexander verstummte und räusperte sich. Sein Hals war staubtrocken.
„Warte einen Augenblick, Alex. Ich hole uns etwas zu trinken.“ Linda erhob sich und verschwand aus dem Zimmer.
Währenddessen stand Alexander ebenfalls auf, reckte sich ausgiebig und ging hinüber zur Terrassentür.
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