Eine Spur von Lavendel (German Edition)
Arbeitstag im neuen Jahr begann für Alexander ungewohnt ruhig. Kaminski und Kroning hatten einen Tag länger Urlaub eingereicht und würden erst morgen wieder im Büro erscheinen. Auch Bernd Lindemann war noch nicht wieder aus seinem Kurzurlaub zurück. Auf dem Flur begegnete er einzig Siegfried Rossner, der zusammen mit Wagner und einigen Kollegen anderer Bereitschaften der Mordkommission über die Feiertage die Stellung gehalten hatte.
„Morgen, Alex. Ein schönes neues Jahr.“
„Wünsch ich dir auch, Siggi. Gab es was Besonderes?“
„Nichts. Die bösen Buben saßen alle brav bei Muttern unterm Tannenbaum. Selbst Silvester war es ungewöhnlich ruhig. Schöne Tage gehabt?“
Alexander nickte. „Sehr schön sogar. Es ist schon etwas Besonderes,mit der ganzen Familie unterm Weihnachtsbaum zu sitzen.“ Die Erinnerung daran, wie Linda sein Weihnachtsgeschenk, eine Goldkette mit einem kleinen Brillantanhänger, ausgewickelt und vor Freude geweint hatte, ließ ihn lächeln.
„Das freut mich für dich. Also, wenn was sein sollte, ich bin in meinem Büro und erledige den Schreibkram.“
Alexander schnaubte unwillig. „Mhm, das werde ich wohl auch tun.“
Nachdem er in seinem einsamen Büro seine Jacke aufgehängt hatte, setzte er die Kaffeemaschine in Gang, grinste den kleinen hässlichen Plastiktannenbaum an, den Kaminski während der Adventszeit angeschleppt hatte, und befreite seinen Computer von der Schutzhülle. „Tag, alter Kumpel“, knurrte er sarkastisch und ließ sich schließlich auf seinen Bürostuhl fallen. Als das Telefon klingelte, hob er nur zögernd ab und meldete sich.
„Keine Panik, Alex, es droht keine Arbeit, ich bin es nur.“
„Kroning! Was gibt’s? Ich dachte, ihr seid noch an der See?“
„Sind wir auch, das heißt, bis heute Abend sind wir’s noch. Hab mir gedacht, ich wünsche dir schnell ein frohes neues Jahr – wird ja schließlich ein ganz besonderes für dich werden, oder?“
Alexander lächelte in den Hörer. „Da könntest du recht haben, Kollege. Wie ist es denn so um diese Jahreszeit an der wilden Nordsee?“
Einen Moment blieb es still, aber Alexander glaubte zu hören, dass sein Freund grinste. „Feucht.“
„So, so, feucht. Klingt irgendwie … heiß.“
„Du bist ein Ferkel, Hellberg!“
„Aber ich habe recht, oder?“
„Du hast es verdammt gut getroffen, mein Freund.“
„Na, dann achte lieber darauf, dass du nicht ausrutschst, und tu weiterhin deine Pflicht, Tobias. Ein gutes neues Jahr auch dir – und bestell deinem widerspenstigen Rotschopf schöne Grüße.“
Tobias Kroning lachte. „Danke, werde ich tun. Sie lässt euch auch alle grüßen. Bis morgen, Alex.“
Alexander legte den Hörer gar nicht erst ab, sondern drückte nur kurz die Freitaste und wählte sofort die Nummer von‚Lindas Laden‘, um auch Linda an der guten Nachricht teilhaben zu lassen.
„Dem Himmel sei Dank“, rief sie erleichtert aus. „Ich wünsche den beiden Glück.“
„Na, jedenfalls ist erst einmal ihr Hormonhaushalt wieder ins rechte Lot gekommen. Vor allem mit Tobias konnte ich wirklich mitfühlen.“
„Ich weiß, Schatz. Oh … ich habe Kundschaft. Bis heute Abend.“
„Ich liebe dich, Ballerina.“
„Ich liebe dich auch.“
Alexander verbrachte seinen Arbeitstag tatsächlich vorwiegend vor dem Bildschirm seines Computers und schaffte es somit, eine Menge liegen gebliebener Schreibarbeit zu erledigen. Sie wurde nur durch ein paar Telefonate, ein gemeinsames, aber eher kurzes Mittagessen mit Siegfried Rossner und seinen neugierigen Blick auf die Dienstpläne der nächsten Wochen unterbrochen.
Während er in seine neue, mit Lammfell gefütterte Lederjacke schlüpfte, beglückwünschte er sich selbst dazu, diesen tristen Tag durchgestanden zu haben, ohne den widerlichen grauen Kasten endgültig aus dem Bürofenster befördert zu haben.
Erst auf seiner Fahrt nach Hause kam ihm wieder Frank Michaelsen in den Sinn und auch der Mensch, den er inzwischen für seinen und somit auch für Beate Folkers’ Mörder hielt. Er war sich sicher, dass er richtiglag, aber es fehlte ihm noch immer das Motiv. Nachdenklich fixierte er das rote Signal einer Verkehrsampel, die ihn zum Halten zwang. In der feuchtkalten Dämmerung des Nachmittags wirkte die glühende Farbe fast ein wenig bedrohlich.
„Was hast du nur getan, Frank, damit das passieren konnte?“, sagte er laut in die abgeschiedene Stille seines Wagens hinein. Seit vielen Wochen stellte er sich immer
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