Eine Spur von Lavendel (German Edition)
schmalen, weiß gestrichenen Flurs lag.
Es war nicht zu übersehen, dass dieses Zimmer dem Architekten sowohl als Arbeitszimmer als auch als Wohnraum diente. Bücherregale, Zeichenbrett und ein Computertisch befanden sich ebenso darin wie ein riesiger Flachbildfernseher, vor dem eine schlichte schwarze Ledercouch, ein dazu passender Sessel und ein flacher weißer Kunststofftisch platziert waren. Auch hier waren die Wände vollkommen weiß, und bis auf einige Skizzen, die neben dem Zeichenbrett an der Wand hingen, gab es keinerlei Bilder oder andere Dekorationsstücke.
Der Raum eignete sich nicht unbedingt dazu, die Winterkälte aus Alexanders Körper zu vertreiben. Er war froh darüber, dass Walter ihm gar nicht erst anbot, die Jacke abzulegen.
„Setz dich, Alex.“ Walter Michaelsen deutete auf die Couch. „Kann ich dir etwas anbieten? Kaffee, Tee oder etwas Kaltes vielleicht?“
Alexander schüttelte leicht seinen Kopf. „Nein, danke. Wie ich dir schon am Telefon sagte, habe ich nur einige kurze Fragen an dich. Ich will dich nicht lange aufhalten.“
Die Fragen, die Alexander ihm stellen wollte, interessierten Walter offensichtlich vorerst nicht. Er ließ sich in den schweren Sessel fallen, sodass er seinem Besucher direkt gegenübersaß,und sah ihm in die Augen. „Ich habe von meiner Mutter von eurer bevorstehenden Hochzeit erfahren. Gratuliere, Alex.“
„Danke.“
„Linda ist wirklich eine … tolle Frau.“
„Ja, das ist sie.“ Alexander spürte einen leisen Anflug von Wut in sich aufsteigen und räusperte sich. „Walter …“
„Nun ja, heute kann ich es dir ja sagen. Ich hatte mir eigentlich selbst ein paar Chancen bei ihr ausgerechnet.“
„Bitte?“ Die Wut breitete sich aus und begann zögernd Wärme durch Alexanders Adern zu pumpen.
Walters Blick blieb absolut entspannt. Er lehnte sich bequem zurück, verschränkte locker seine Arme und seufzte auf. „Ich hatte mir sogar fest vorgenommen, mich um Linda zu bemühen. Natürlich wollte ich ihr zuvor einen gewissen Zeitraum gönnen, um nach der Beerdigung von Frank zur Ruhe zu kommen. Das Mädel braucht einen Mann, der ihr … sagen wir mal, das Leben bereitet. Du weißt ja, sie ist ein bisschen … labil.“
Sein Blick wurde plötzlich eiskalt. „Doch dann warst du plötzlich ständig in ihrer Nähe. Meine Mutter war so nett und hat mich auf dem Laufenden gehalten. Aber, sei beruhigt, ich kenne auch so meine natürlichen Grenzen und habe mir den ungleichen Kampf schließlich erspart.“ Sein Lächeln war ebenso eisig wie der Ausdruck in den hellen wasserblauen Augen. „Wie gesagt, mir bleibt nur übrig, dir zu gratulieren. Nun wirst du sie also bekommen, Alex.“
Alexanders Gesicht blieb zunächst vollkommen unbewegt, doch dann setzte er mit voller Absicht ein anzügliches und sehr breites Grinsen auf. „Falsch. Ich werde sie nicht erst bekommen, Walter, denn sie gehört mir bereits seit vielen Monaten.“ In seinen grauen Augen flackerte es kurz auf. „Sie gehört ganz und gar mir“, wiederholte er nachdrücklich. „Mit Haut und Haaren. Und glaub mir, sie genießt diese Tatsache jeden Tag aufs Neue.“
Es entsprach eigentlich nicht seiner Art, sich vor Geschlechtsgenossen mit sexuellen Erfolgen zu rühmen, und es war ihm auch bewusst, dass Linda seine Wortwahl überhaupt nicht gefallen hätte, aber in diesem besonderen Fall hatte er nicht widerstehenkönnen – und er war sich sofort sicher, dass Walter Michaelsen die Anspielung durchaus verstanden hatte.
Als er jetzt in Walters Gesicht sah, ließ die ungeheure Genugtuung auch noch den letzten Rest von Kälte aus Alexanders Körper verschwinden.
Walter Michaelsen richtete sich kerzengerade auf, und seine ineinander verschränkten Arme lösten sich voneinander. „Stell bitte deine Fragen, Alex. Meine Zeit ist kostbar.“
Kleine feine Schneeflocken wirbelten im Schein der Straßenlaternen durch die Luft, als Alexander einige Zeit später vor ‚Lindas Laden‘ aus seinem Auto stieg. Mit langen eiligen Schritten ging er auf die reich verzierte Eingangstür zu. Die heimelige, gemütliche, ja fast schon kitschige Atmosphäre des Geschäfts schien ihn heute ganz besonders anzuziehen.
Da sowohl die schöne Inhaberin des Ladens als auch Elisabeth Bergstedt gerade in Kundengespräche vertieft waren, bedachte er Linda mit einem strahlenden Lächeln, nickte auch Elisabeth freundlich zu und verschwand dann sofort lautlos in die obere Etage. Wie verabredet, saß Tobias Kroning dort
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