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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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sagte ihr, es sei
besser, die Aussies nicht zu erwähnen. Aber sie unterdrückte es. Sie mußte bei
der nach allen Richtungen hin durchdachten Geschichte bleiben.
    «Gefangene Männer gaben uns Geld für
Hühner», versetzte sie, «sie sagen: wir zu dünn. Jetzt wir haben gut mishi heut
nacht. Ihr auch.»
    Der Sergeant hob Mittel- und
Zeigefinger: «Zwei!»
    Sie tat entsetzt. «Einen, nicht zwei,
Gunso! Einer — Geschenk für euch, weil ihr Gutes tun und Kinder tragen und uns
erlauben — langsam gehen. Einen für Sie, vier für uns.»
    Sie ließ ihn in den Sack gucken. Er
zählte genau nach. Jetzt erst gewahrte Joan, daß die Hähne für malaiische
Verhältnisse ungewöhnlich groß waren und ihre Federn tiefschwarz und glänzend.
    «Einen Sie, vier wir», wiederholte sie.
    Er ließ den Sack los, nickte lächelnd
und zog mit einem Hahn unterm Arm zur Küche, wo sein Begleiter beim Abkochen
war.
    Am gleichen Tag war in Kuantan der Teufel
los. Der dortige Kommandant war ein Hauptmann Sugamo. Im Jahre 1942
beaufsichtigte er die Überführung des Schienen-Materials der malaiischen
Ostbahn nach Siam. Er residierte in Kuantan im ehemaligen Amtsgebäude des
britischen Distriktsbevollmächtigten von Kuantan.
    Dieser hatte sich 1939 aus England
eigens zwanzig schwarze Leghorn-Hühner nebst einem Hahn kommen lassen, und als
der Hauptmann Sugamo an jenem Morgen erwachte, da fehlten in seinem glänzenden
Hühnerhof fünf schwarze Leghorns und dazu ein grüner Postsack, in dem ehedem
die Post des britischen Distriktsbevollmächtigten befördert wurde, der aber
unter japanischer Herrschaft zur Aufbewahrung des Hühnerfutters gedient hatte.
    Hauptmann Sugamo war ein Hitzkopf.
Sogleich setzte er die Militärpolizei in Bewegung, deren Verdacht alsbald auf
die australischen Lastfahrer fiel, welche angeblich schon etliche kleine, aber
unübertreffliche Diebereien auf dem Kerbholz hatten. Belastend wirkte sich
dabei noch der Umstand aus, daß ihre Tätigkeit die beste Gelegenheit zu derlei
Spitzbübereien bot. Beim Tanken, Instandsetzen, Ab- und Aufladen, das oft in
der Dunkelheit stattfand, konnte man nie genau wissen, wo der einzelne war und
was er gerade trieb. Das Fahrer-Camp wurde durchsucht, doch fanden sich weder verräterische
Federn noch auch der grüne Sack. Man entdeckte nur ein Versteck mit ein paar
Lebensmittelkonserven und Zigaretten, die aus den Beständen des
Quartiermeisters stammten.
    Hauptmann Sugamo tobte. Seine Ehre
stand auf dem Spiel. Dies war ein Einbruch nicht nur in seinen Hühnerstall,
sondern in seine Kommandogewalt und somit ein Verbrechen gegen die Kaiserlich
Japanische Armee! Er befahl die Durchsuchung der ganzen Stadt Kuantan, und am
folgenden Tag durchforschten einzelne Truppen unter Leitung der Militärpolizei
jedes einzelne Haus nach schwarzen Federn und einem grünen Sack. Doch auch
diese Fahndung zeitigte kein Ergebnis.
    Der Hauptmann brütete über der seiner
Uniform angetanen Schmach und ordnete eine Durchsuchung jener Baracken an, in
denen die ihm unterstellte Kompanie kaserniert war. Auch diese Aktion verlief
resultatlos. Nun blieb nur noch eines: Die Straße nach Jerantut, auf welcher
drei von Australiern chauffierte Lastwagen verkehrten.
    Am nächsten Tag entsandte Sugamo einen
mit vier Militärpolizisten bemannten leichten Polizeiwagen in Richtung Jerantut
mit dem Befehl, jene Lastwagen zu durchsuchen, die Fahrer zu verhören und
außerdem jeden, der möglicherweise von dem Hühnerraub etwas wissen könnte.
    Zwischen Pohoi und Blat gewahrten die
Ausgesandten eine Schar Kinder und Frauen, die, mit Bündeln beladen,
einherzogen. Vor ihnen her marschierte ein japanischer Sergeant. Das Gewehr
trug er über der linken, einen grünen Sack über der rechten Schulter. Die
Bremsen des Polizeiwagens quietschten schrill, und er hielt.
    Zwei Stunden lang blieb Joan bei ihrer
Aussage: die Australier hätten ihr Geld gegeben, und sie habe die Hühner aus
Limau bezogen. Mitten auf der Straße unterzog man sie dem Verhör. Sie
wiederholten immer und immer wieder die gleichen Fragen, und wenn ihre
Aufmerksamkeit erlahmte, schlug man ihr ins Gesicht, trat sie gegen Schienbein
und Schenkel und stampfte mit Stiefeln auf ihre nackten Füße.
    Mit verzweifelter Anstrengung hielt sie
an ihrer Aussage fest und wußte dabei, wie unhaltbar ihre Erzählung war und wie
unglaubhaft. Aber sie wußte nicht, was sie sonst hätte sagen sollen.
    Am Ende der zweiten Stunde näherte sich
ein aus drei Lastautos bestehender Zug.

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