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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Der Fahrer des zweiten, Joe Harman,
wurde sogleich von dem Sergeanten erkannt und von den Polizisten mit gefälltem
Bajonett dem Mädchen gegenübergestellt.
    «Ist dies der Mann?» fragte der Führer
der Polizeipatrouille.
    Joan rief in Verzweiflung: «Ich habe
ihnen von den vier Dollars erzählt, Joe, die Sie mir gaben, damit ich Hühner
davon kaufe, aber man will es mir nicht glauben!»
    Der Militärpolizist fuhr den Australier
an: «Du Hühner stehlen dem Shoko. Hier ist Sack.»
    Der Ringer sah auf die blutenden Füße
des Mädchens; er schaute in das blutüberströmte Gesicht, rief: «Laßt sie in
Ruhe, ihr Japse!» Und wütend, in seinem langgezogenen Queensländisch: «Ich, ich
habe diese dreckigen Hühner gestohlen und ihr gegeben. Na und?»
     
    Mein Londoner Wohnzimmer lag in der
frühen Dunkelheit des regnerischen Nachmittags. Sturm peitschte den Regen gegen
die Scheiben. In qualvoller Erinnerung starrte das Mädchen ins Feuer.
    «Sie schafften uns alle nach Kuantan»,
sagte sie leise. «Sie haben ihn mit den Händen an einen Baum genagelt und
geschlagen. Wir mußten dabeistehen. Sie zwangen uns, zuzusehen.»
     
     
     

Viertes Kapitel
     
     
    «Mein Liebes Kind», sagte ich, «es tut
mir furchtbar leid.»
    Sie hob den Kopf. «Es braucht Ihnen
nicht leid zu tun... Es ist nur eines von all dem, was im Krieg geschieht...
Und es ist lange her. Und der Hauptmann Sugamo ist aufgehängt worden — nicht deswegen,
aber für das, was er an der Bahn getan hat. Nun ist alles vorbei und zu Ende
und fast schon vergessen.»
     
    Es gab selbstverständlich auch in
Kuantan kein Frauencamp, und Hauptmann Sugamo war nicht der Mann, sich um einen
Haufen Frauen und Kinder zu kümmern. Die Exekution fand zur Mittagszeit statt,
und der Baum, an dem der arme Joe sterben sollte, stand in dem Vergnügungspark
oberhalb der Tennisplätze.
    Der Sergeant, der sie seit dem Abmarsch
von Gemas eskortiert hatte, mußte mit ihnen gehen. Dies sollte für ihn die
Strafe sein, weil er eines der zwanzig Leghorns gegessen, die man Sugamo, dem
Distriktsbevollmächtigten von Kuantan, gestohlen hatte. Es sollte zugleich ein
Ehrverlust für ihn sein, daß er mit den Gefangenen weitermarschieren mußte,
denn in den Augen eines Japaners ist Kriegsgefangenschaft eine Schmach und
Kriegsgefangene zu bewachen ein erniedrigendes Geschäft. Ein ehrenwerter
Japaner tötet sich eher, als daß er sich gefangen gibt. Und um die Schande, in
die man ihn stieß, noch zu betonen, nahm man dem guten Sergeanten auch seinen
bisherigen Begleitsoldaten, so daß er ab Kuantan die einzige Bewachung der
gefangenen Frauen bildete.
    Und von neuem begann ihre Wanderung.
Als sie von Kuantan aufbrachen, war es Mitte Juli. Bis Kota Bahru hatten sie an
die zweihundert Meilen, und wenn man einige Tage für Aufenthalte bei
Krankheiten rechnete, brauchte man mindestens zwei Monate, bis sie das Ziel
erreichten. Am ersten Tage gelangten sie bis Besarah, einem Fischerdorf am
Meeresufer mit weißem Korallensand; dahinter erhoben sich Palmen.
    Doch so anmutig die Gegend auch war —
in der Nacht fanden sie keinen Schlaf. Immer wieder erwachte im Dunkeln ein
Kind und fing an zu weinen, verfolgt von den Schrecken, die es hatte mit
ansehen müssen. So nahe bei Kuantan zu verweilen, schien allen unerträglich,
und so zogen sie gleich am folgenden Morgen ein Stück weiter nach Balok. Auch
dies war ein Fischerdörfchen mit einem Strand und noch mehr Palmen, und hier
gönnten sie sich einen Tag Rast.
    Sie erkannten nun, daß Mrs. Frith die
Wahrheit gesprochen hatte. Es war ein ganz anderes Land, das sie hier umgab,
ein verhältnismäßig gesundes und schönes, die Küste ein weit ausgedehnter,
sandiger Strand, von Palmen gesäumt und immer wieder von felsigen Landzungen
unterbrochen. Dazu wehte meistens ein erfrischender Wind, und in den Dörfern
fanden sie reichlich frisch gefangene Fische. Zum erstenmal seit Kuala Panong
hatten sie im Reis ausreichend Protein, und der Gesundheitszustand hob sich mit
einem Schlag. Die meisten badeten täglich mindestens einmal in der warmen
Meeresflut, und jene Hautausschläge, an denen sie seit längerer Zeit litten,
fingen bei dieser Salzwasserbehandlung an zu heilen, freilich nicht alle. Seit
Monaten hatten die Kinder keine Kraft und Lust mehr zum Spielen gehabt, jetzt
spielten sie wieder.
    So ging es denn allen bedeutend besser,
nur nicht ihrem Sergeanten. Er war mißtrauisch geworden, trug nur noch selten
einmal eines der Kinder oder war ihnen

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