Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
Vom Netzwerk:
Miss?»
    Sie wandte sich rasch nach mir um. «Von
dir, Noel? ...Also das ist lieb von dir, unfaßbar...»
    «Englische Blumen», sagte ich, «die
dich an eine baldige Rückkehr nach England gemahnen sollen.» Es war, als hätte
ich damals schon eine Vorahnung gehabt, daß Joan nie wieder zurückkehren werde.
    Ehe ich mich’s versah, umhalste sie
mich und drückte mir einen Kuß auf die Lippen. «Zum Dank für die wundervollen
Blumen», sagte sie zart, «und für alles, Noel, was du für mich getan hast!»
    Ich war so verdutzt und verwirrt, daß
ich nichts Gescheiteres zu sagen wußte als: «Zum Willkommen gibt es noch
schönere.»
    Ich wartete nicht bis zur Abfahrt.
Abschied nehmen ist etwas so Ungeschicktes; am besten, man kürzt ihn nach
Möglichkeit ab. Ich fuhr in meine einsame Wohnung zurück. Ich weiß noch, wie
ich dann lange im Wohnzimmer am Fenster stand, die Ornamente an der Fassade der
Stallungen vis-à-vis betrachtete und dabei im Geist den schmucken Dampfer die
Themse hinunterfahren sah, an Gravesend, an Tilbury vorbei, an Shoebury und dem
North Foreland vorüber. Vorbei... vorüber...
    Dann riß ich mich los und schob ihren
Koffer und Handkoffer in eine leere Ecke im Abstellraum. Eine Weile hielt ich
ihre Schlittschuhstiefel mit den angeschraubten Laufschienen in der Hand...
    ‹Wohin damit?› fragte ich mich.
Schließlich nahm ich sie in mein Schlafzimmer und legte sie unten in meinen
Kleiderschrank. Ich würde mir nie verzeihen, wenn sie abhanden kämen. Sie sind
mit Joans Leben verbunden... Ich habe keine Tochter. Wenn Lucy mir solch ein
Mädchen geschenkt hätte... solch eine Tochter...
     
    Sie durchquerte den halben Erdkreis auf
ihrem Tramp-Steamer und schrieb mir aus allen Häfen, in denen er anlegte:
Marseille, Neapel, Alexandria und Aden, aus Colombo, von Rangoon und aus
Penang. Mein Klubfreund Wright interessierte sich lebhaft dafür. Er hatte in
Malaya von ihr gehört. Ihren zuletzt empfangenen Brief trug ich immer bei mir
und berichtete ihm von ihrer Reise und wie es ihr ging.
    Er kannte den britischen Beirat beim
Raja in Kota Bahru, einen Mr. Wilson-Hays, von früher her gut, und ich
veranlaßte ihn, demselben per Luftpost Mitteilung von Miss Pagets Reise zu
machen und ihn zu bitten, sein möglichstes für sie zu tun. Wright hielt dies
auch für dringend geboten: eine junge Dame könne in Kota Bahru nirgends logieren,
außer privat bei einer britischen Familie. Wilson-Hays schrieb auch sogleich
sehr liebenswürdig zurück, er sähe Miss Pagets Besuch mit Vergnügen entgegen.
Dies teilte ich ihr per Luftpost nach Singapore c/o Chartered Bank mit.
    Dort blieb sie nur eine Nacht und flog
am folgenden Morgen mit einer «Dakota» über die Malaiische Halbinsel; man
landete an verschiedenen Zwischenstationen und erreichte am frühen Nachmittag
den Flugplatz bei Kota Bahru. Im selben hellgrauen Kostüm, in dem sie das
Schiff in London bestiegen hatte, verließ sie das Flugzeug. Wilson-Hays und
Gattin holten sie ab.
    Ein Jahr danach lernte ich Wilson-Hays
auf seinem Heimaturlaub im United University Club persönlich kennen. Er
erzählte, Miss Paget sei über ihren Empfang in Kota Bahru etwas verlegen
gewesen; sie habe anscheinend keine Ahnung davon gehabt, was für eine bekannte
Persönlichkeit sie in der ganzen Gegend war. Längst ehe er unsern Brief bekam,
hatte er von ihrem Schicksal gehört; nur was nach Kriegsende aus ihr geworden
war, wußte dort niemand. Gleich nach Erhalt unseres Schreibens hatte er Mat
Amin von dem bevorstehenden Besuche benachrichtigt und nach ihrer Ankunft ihr
seinen Jeep mit einem Chauffeur zur Verfügung gestellt. Ich fand dies sehr nett
von ihm und dankte ihm herzlich. So hatte das tapfere Mädchen die zirka hundert
Meilen bis Kuala Telang doch nicht, wie ich schon befürchtet hatte, zu Fuß
zurücklegen müssen.
    Er meinte, nach Kriegsende habe sich
das britische Ansehen im Distrikt Kuala Telang sichtlich erhöht, einzig dank
der dreijährigen Anwesenheit dieses jungen Mädchens und ihrer Gruppe. Die
Benutzung des britischen Dienstwagens habe sie sich mehr als reichlich
verdient.
    In Kota Bahru sei sie nur zwei Tage
geblieben und habe in Eingeborenenläden einige bescheidene Einkäufe getätigt.
Als sie am Morgen des dritten Tages im Jeep weiterfuhr, trug sie malaiische
Tracht. Ihren Handkoffer und alle anderen europäischen Sachen ließ sie bei Mrs.
Wilson-Hays. Sie habe nichts weiter bei sich gehabt, als was eine gutsituierte
Malaienfrau mit auf die Reise nähme.

Weitere Kostenlose Bücher