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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Stenotypistin aus Kuala
Lumpur, aber ein feiner Typ!»
    «Das ist meine Klientin.»
    «Was Sie nicht sagen! Ich habe mich
schon immer gefragt, was aus der bloß geworden ist. Was ist sie denn jetzt?»
    «Sie ist wieder Sekretärin», sagte ich
trocken, «in Perivale in einer Handtaschenfabrik.»
    «Ach!» machte er erstaunt, aß einige
Bissen und sagte dann: «Ich habe immer gedacht: So ein Mädchen müßte eine
Kriegsauszeichnung bekommen, ein Ehrenzeichen. Dumm, daß es für solche Menschen
bei uns nichts gibt! Ohne sie wären doch alle diese Frauen und Kinder
gestorben; es war keine andere von diesem Format bei der Gesellschaft.»
    «Meines Wissens ist die Hälfte davon
gestorben», warf ich ein.
    «Das glaube ich gern. Aber nachdem sie
die andere Hälfte ansiedelte und Feldarbeit machen ließ, ging’s allen gut.»
     
    Ich traf Joan Paget in den sechs Wochen
bis zu ihrer Abreise noch einige Male.
    Sie buchte ihre Passage für den 2. Juni
und kündigte ihrer Firma auf Ende Mai, und wie sie mir erzählte, waren ihre
Chefs damit durchaus nicht einverstanden; sie boten ihr sogar eine sofortige
Aufbesserung von zehn Shilling die Woche. Daraufhin erzählte sie Mr. Peck von
der Erbschaft, und Peck & Levy fügten sich in das Unvermeidliche.
    Ich traf die nötigen Vorkehrungen, daß
sie ihre Zinsen für Juli, August, September unterwegs abheben könne, und ließ
ihr zu diesem Zweck in Singapore bei der Chartered Bank ein Konto eröffnen. Als
aber dann der Tag ihrer Abreise näher und näher rückte, machte ich mir doch
Sorgen um sie — nicht weil ich fürchtete, sie werde über ihre Verhältnisse
leben; vielmehr aus Besorgnis, sie habe die Kosten und Ausgaben unterwegs, vor
allem unvorhergesehene, unterschätzt oder gar nicht berücksichtigt und könne
dadurch in Verlegenheit kommen. Für eine Reise durch den Fernen Osten sind
neunhundert im Jahr nicht überwältigend.
    Etwa am 27. Mai machte ich sie
ausdrücklich darauf aufmerksam und setzte hinzu: «Vergessen Sie nicht, daß Sie
eine wohlhabende Frau sind! Es ist schön und gut, daß Sie sich mit Ihren Zinsen
begnügen wollen; pflichtgemäß muß ich sogar darauf Wert legen. Aber erinnern
Sie sich zugleich, liebe Miss Paget, daß ich auf Grund des Testaments
weitgehende Vollmachten habe! Wenn Sie also in Schwierigkeiten geraten oder für
irgend etwas dringend Geld brauchen sollten, zumal im Fall einer Erkrankung,
telegrafieren Sie, bitte, sofort!»
    Joan lächelte. «Sie sind nett,
wirklich! Aber ich werde schon auskommen, und wenn nicht, dann suche ich mir
Arbeit. Für meine Rückkehr nach England bin ich ja an keinen bestimmten Termin
gebunden.»
    «Bleiben Sie nicht zu lang weg!» bat
ich, und wieder lächelte sie.
    «Das liegt gar nicht in meiner Absicht,
lieber Mr. Strachan. Sobald Kuala Telang den Brunnen hat, komme ich wieder her.
In Malaya hält mich nichts.»
    Ihr Zimmer in Ealing hatte sie
natürlich gekündigt und bat mich, einen größeren Koffer und eine Handtasche bis
zu ihrer Rückkehr bei mir einstellen zu dürfen. Am Tag vor ihrer Abreise
brachte sie beides im Auto mit und dazu ein Paar Schlittschuhstiefel mit
anmontierten Schlittschuhen; sie hatten in dem Koffer keinen Platz mehr
gefunden.
    Auf ihre Fahrt nahm sie nur einen
Handkoffer mit. «Ja, und Ihre Tropenausrüstung? Haben Sie die vorausschicken
lassen?»
    «Die ging bequem in den Handkoffer»,
lächelte sie, «dazu fünfzig Sumpffieber-Tabletten, hundert Sulfonamide, Chinin,
etwas Insektenpulver und mein alter Sarong. Ich werde in Malaya nicht als Lady
herumspazieren.»
    Außer mir war niemand vorhanden, um sie
zu den London Docks ans Schiff zu begleiten; sie stand ja so allein in der
Welt. Kolleginnen, die wohl gern mitgekommen wären, konnten sich während der
Arbeitszeit nicht freimachen. Ich bestellte ein Taxi und fuhr mit ihr hin. Für
sie bedeutete die Expedition eine Kleinigkeit. Für die Fahrt um den halben
Erdball machte sie weniger Umstände als ein Mädchen meiner Generation für ein
Weekend in Chislehurst.
    Das Schiff war ein blitzblanker
Frachtdampfer. Als der Steward die Türe zu ihrer Kabine aufmachte, trat sie
erstaunt einen Schritt zurück, denn er hatte die Blumen im ganzen Raum
verteilt, und es waren recht viele.
    «O Noel», rief sie, «schau nur, die
Menge Blumen! — Wo sind die denn alle her?» fragte sie den Steward. «Hat das
die Schiffahrtsgesellschaft —»
    «Die sind gestern abend in drei großen
Schachteln per Expreß angekommen. Nicht wahr, es sieht hübsch aus,

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