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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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und
starker Schweißabsonderung nicht schadet. Eines Abends, als sie so an der
Barschranke lehnten, kamen zwei flotte Uniformierte herein und spendierten
sogleich etliche Runden. Es waren Piloten einer «Dakota» der transaustralischen
Fluggesellschaft und hatten, wegen eines Benzintank-Defektes steuerbord, eine
Zwischenlandung vornehmen müssen.
    Joe Harman lehnte zufällig neben dem
ersten Piloten; sein alter fahlgrüner Leinenhut stammte aus liquidierten
amerikanischen Heeresbeständen; außerdem trug er ein baumwollenes
Unterjäckchen, verdreckte Khaki-Shorts und Soldatenstiefel ohne Strümpfe, ein
Aufzug, der von der adretten Kleidung der beiden Flieger nicht eben vorteilhaft
abstach. Aber die waren es im hintersten Australien, dem «Outback», nicht
anders gewöhnt. Man kam ins Gespräch, wobei sich alsbald herausstellte, daß
auch sie in Malaya gekämpft hatten, Joe zeigte die Narben seiner Hände, und die
Piloten nahmen sie mit Interesse in Augenschein. Auch erzählte er ihnen, wie er
zwecks Geißelung angenagelt worden war, und sie bestellten ihm daraufhin einen
Schnaps.
    «Das Merkwürdigste, was mir begegnet
ist», ließ sich hierauf der eine Pilot vernehmen, «war ein Trupp gefangener
Frauen und Kinder, die aber nie in ein Gefängnis oder Camp gelangt sind. Die
längste Zeit haben sie in den Reisfeldern eines Malaiendorfes gearbeitet.»
    «Wo?» stieß Joe hervor: «Wo war das?
Ich habe sie auch getroffen!»
    «Irgendwo zwischen Kuantan und Kota
Bahru», antwortete der Pilot. «Damals nach der Wiedereinnahme von Malaya holten
wir sie in Lastwagen nach Kota Bahru, und von da flog ich sie nach Singapore.
Lauter Engländerinnen, aber braun wie Eingeborene und auch so angezogen.»
    Da hatte denn Joe sogleich gefragt, ob
bei dem Flug auch eine Mrs. Paget gewesen wäre. Es war ihm von ungeheurer
Wichtigkeit, zu erfahren, ob Joan den Krieg überlebt habe, und der
«Dakota»-Pilot hatte ihm geantwortet: «Nein — da war nur eine Miss Paget, ein
ganz prächtiges Frauenzimmer, die Anführerin der ganzen Gesellschaft!»
    «So eine dunkelhaarige mit einem Kind;
das war aber Mrs. Paget.»
    «Dunkelhaarig, das stimmt», gab der
Pilot zu. «Aber das Bübchen, das sie bei sich hatte — es war so etwa vier Jahre
alt — , das war nicht ihres; es gehörte einer, die unterwegs gestorben war. Ich
weiß es genau, weil Miss Paget die einzige Unverheiratete und Transportführerin
war. Vor dem Krieg war sie Stenotypistin in Kuala Lumpur, die Miss.»
    Joes Mund stand offen, bis er langsam
hervorbrachte: «Ich habe gedacht, sie ist verheiratet.»
    «Aber wenn ich Ihnen doch sage: Die
anderen hatten zwar auch keine Eheringe; die hatten ihnen die Japse gestohlen,
aber die Miss Joan Paget hat überhaupt nie einen gehabt; sonst hätte sie den
Verlust ebenso wie die andern angemeldet.»
    «Richtig!» sagte der Ringer langsam:
«Sie — heißt — Joan.»
    Er trat aus der Bar auf die Veranda,
starrte empor in die Sternenpracht; dann verließ er das Hotel und ging die
Viehhürden entlang. Lange stand er tief in Gedanken versunken in der Stille der
Nacht.
    Und an dem Morgen in meiner Wohnung in
London hat er mir einen dieser Gedanken verraten: «Sie war bonza... bonza war
das Mädchen!» sagte er in seiner primitiv schnurrigen Ausdrucksweise: «Und wenn
ich mal heirate, muß es so eine sein.»
    Lächelnd zog ich die naheliegende
Schlußfolgerung: «Und deshalb sind Sie nach England gekommen.»
    «Richtig.»
     
    Er war mit Jim Lennon und den beiden
Farbigen an der Spitze ihrer fünfzehn Lastpferde in etwa zehntägigem Ritt
wieder zur Midhurst-Station gelangt. Seit sie dort Ende Februar das Vieh
zusammengetrieben hatten, waren sie drei Monate lang fast ununterbrochen im
Sattel gewesen.
    «Dann mußte ich noch nach den Bohrungen
schauen. Ich hatte bei Mrs. Spears so darauf gedrängt, daß ich nicht einfach
verschwinden durfte, bevor man damit soweit fertig war. Aber dann bin ich
losgezogen. Nach Carins. Mittwochs mit John Duffys Milk-Run.» (Er meinte damit,
wie ich später zu lernen Gelegenheit hatte, den allwöchentlichen Transportflug
auf einer Dakota.)
    «Und was war mit dem Goldenen Casket?»
fragte ich, worauf er mir etwas verlegen gestand, er habe mir das nicht ganz
korrekt berichtet. «Gewonnen habe ich den Casket, nur nicht dieses Jahr,
sondern schon 1946, ein Jahr, nachdem ich wieder in Queensland war. Aber es
waren, wie gesagt, tausend Pfund.»
    «Und die haben Sie in der Zwischenzeit
nicht angerührt?»
    «Ich habe sie

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