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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Croydon und Georgetown — alles dieselbe Kiste wie Willstown.» Er
dachte nach und sagte dann:
    «Es gibt nur einen Ort, einen Punkt
mitten in Australien, genau in der Mitte, wo eine junge Frau sich wohl fühlen
kann; das ist Alice Springs. Alice ist ein bonza Platz, mein Wort darauf! Da
findet ein junges Mädchen, was es nur will: Zwei Kinos, in den Läden gibt’s
alles: Früchte, Speiseeis, frische Milch, und das Schwimmbad von Eddie Maclean,
ach, und Gesellschaft! Jungverheiratete Frauen und junge Mädchen und vor allem
hübsche Häuschen, in denen sich’s angenehm wohnen läßt! Alice ist eine bonza
Stadt! Aber es ist die einzige.»
    «Wieso?» fragte ich interessiert.
«Wieso bildet Alice eine so auffallende Ausnahme?»
    Joe kratzte sich hinter den Ohren.
«Weiß nicht. Ich denke mir halt: weil sie größer ist...»
    Ich verfolgte die Frage nicht weiter,
sondern blieb bei der Hauptsache: «Sie meinen also: Selbst wenn Miss Paget
bereit wäre, Sie zu heiraten, könnte sie sich in Willstown unmöglich glücklich
fühlen.»
    «Richtig.» Er schaute unglücklich
drein, als er fortfuhr: «Als wir uns in Malaya kennenlernten, sah alles ganz
anders aus. Sie war Gefangene und hatte nichts, und ich war Gefangener und
hatte auch nichts. Sehen Sie: das wäre ein passendes Paar gewesen. Als ich dann
gehört habe, es bestehe eine Chance, daß sie noch ledig ist, habe ich mich so
geeilt, hierher zu kommen, daß ich an den Outback überhaupt nicht gedacht habe
— oder wenn, dann sagte ich mir höchstens: ‹Wenn sie nicht einmal ein Paar
Schuhe hat, wird ihr Willstown schon recht sein›, nicht wahr? — Aber als ich
dann nach England kam und gesehen habe, wie die Leute in Southampton leben —
ich war ja auch in London und Colwyn Bay! Und als Sie mir dann gesagt haben,
sie ist zu Geld gekommen, da habe ich mir erst überlegt: ‹Wie soll sie denn
wohnen? Wo nimmt sie all das her, was sie gewöhnt ist? In Willstown hat sie das
nicht!› Und da habe ich mir gedacht: ‹Hast du dich nicht doch etwas übereilt?»
Ich bring’s nicht übers Herz, ein Mädchen aus England in den Outback zu locken.
Bei einer mit Geld wäre es noch unmöglicher.» Er lächelte unglücklich. «Sehen
Sie, da habe ich mir einen angetrunken.»
    Ich konnte das sehr wohl verstehen und
bedauerte nur, daß er die kleine Ablenkung mit siebzig Pfund und einer Buße von
vierzig Shilling hatte bezahlen müssen.
    «Schauen Sie, lieber Joe», redete ich
ihm zu, «und überlegen Sie nur: Ich muß Miss Paget unbedingt schreiben, daß Sie
hier bei mir waren! Sie hat doch gemeint, Sie sind tot.»
    Er machte große Augen. «Sie haben also
von mir gehört?!»
    «Nicht sehr viel. Nur daß Sie für Miss
Paget Hühner gestohlen haben und von den Japsen angenagelt wurden. Sie hat
gedacht — alle haben gedacht, Sie seien gestorben.»›
    «Ich war verdammt nahe dran.» Er
lächelte etwas froher. «Hat sie es Ihnen erzählt?»
    «Ja, und in tiefer Trauer. Sie werden
nicht wollen, daß sie weiterhin so betrübt ist. Sie meint, daß sie Ihren Tod
auf dem Gewissen hat.»
    «Aber keine Spur!» widersprach er. «Sie
hat mir gesagt, ich soll meinen Hals nicht in die Schlinge stecken, und ich bin
trotzdem in den Hühnerstall. Miss Paget kann absolut nichts dafür.»
    «Auf alle Fälle sollten Sie ihr
schreiben», ermahnte ich ihn.
    Aber nach längerem Nachdenken sagte er
weiter nichts als: «Ich weiß nicht, ich weiß wirklich nicht, was ich ihr
schreiben soll — wenn ich ihr schreiben soll.»
    Der arme Kerl! Ich wollte ihn nicht
länger quälen und riet ihm, er möge sich das Ganze noch einmal durch den Kopf
gehen lassen. «Sie haben ja Zeit. Wann müssen Sie denn wieder in Australien
sein?»
    «Es macht Mrs. Spears nichts aus, wenn
ich erst Ende Oktober eintreffe. So lange geht es ohne mich.»
    «Da hätten Sie also noch zweieinhalb
Monate Zeit. Was hat Ihr Flug hierher gekostet, Joe?»
    «Dreihundertfünfundzwanzig Pfund.»
    «Und Ihr Kreditbrief lautet auf
fünfhundert.»
    «Richtig.»
    «Wollen Sie zurück fliegen oder lieber
per Schiff! Ich könnte mich nach einer billigen Gelegenheit für Sie erkundigen.
Auf einem Frachtdampfer käme die Fahrt etwa auf achtzig Pfund. Allerdings müßten
Sie dann spätestens in vierzehn Tagen von hier weg.»
    «Es hat ja auch keinen Zweck, hier
herumzusitzen», meinte er etwas müde. «Oder besteht die Aussicht, daß sie
inzwischen hierher kommt?»
    «Bis Oktober nicht. Es tut mir sehr
leid, aber —»
    «Dann nehme ich ein Schiff und

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