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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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wie alle bei uns.»
    «Und Sie können sie wirklich
entbehren?» fragte ich.
    «Sie würde es sowieso nicht mehr lange
bei uns aushalten. Ich möchte sie nicht verlieren und denke mir: Wenn sie eine
Zeitlang in Australien war und gesehen hat, anderswo ist’s noch schlechter als
hier, kommt sie gern wieder zurück und ist froh, wenn sie bleiben kann. Sie
soll sich nur die Hörner abstoßen!»
    Wir besprachen den Fall Aggie im
einzelnen. Die Fahrt hin und zurück, einschließlich Gehalt während der Reise,
würde sich auf zirka dreihundert Pfund belaufen, und das schien mir nicht zu
hoch bezahlt, wenn dadurch dem gewagten Unternehmen über die ersten Klippen
hinweggeholfen wäre. Im übrigen hielt auch Mr. Peck Joans Vorschlag für
niedrig, aber nicht einmal allzusehr. «In der Luxusschuh-Branche gibt es keine
solche Mechanisierung wie anderswo, weil die Mode immerzu wechselt.» Deshalb
schlug er vor, er wolle in regelmäßigen Abständen Muster nach Willstown
schicken, damit man sie dort der weiteren Produktion zugrunde lege. Den Verkauf
wolle er gern übernehmen. «Hoffentlich kommt sie bei unsern Ein- und
Verkaufspreisen auf ihre Rechnung. Ich werde ihr schreiben, was hier geht und
was nicht. Es würde mich freuen, wenn die Sache in Schwung käme. Bei uns ist
die Herstellung jetzt dermaßen schwierig geworden mit all den Einschränkungen
und Geschichten, daß es so nicht weiter geht. Es muß was anderes kommen.
Vielleicht ist es der Import aus Willstown.»
    Ich dankte ihm herzlich, und als er
sich verabschiedet hatte, schrieb ich alles per Flugpost an Joan. Vermutlich
schrieb ihr Mr. Peck mit gleicher Post.
    Aber sie erhielt die Briefe erst einige
Tage nach deren Ankunft in Cairns, da sie inzwischen nach Rockhampton gefahren
war, um jene Elsie Peters zu sprechen, die in der dortigen Schuhfabrik Manning
Cooper Vorarbeiterin war. Aus Sparsamkeit hatte sie einen Personenzug genommen.
    Bis dahin hatte sie noch gar keinen
Begriff von den ungeheuren Entfernungen Queenslands gehabt. Die Flüge ließen
ihr das Land klein erscheinen; die siebenhundert Meilen in einundfünfzig
glutheißen Eisenbahnstunden dehnten es ihr schier ins Grenzenlose. Dann erwies
sich die Fahrt als ein Fiasko.
    Sie traf zwar Elsie Peters, aber die
Unterredung in dem Cafe vis-à-vis der Fabrik dauerte keine zehn Minuten. Sobald
Joan von einer Anstellung in der Gulf Country anfing, sagte Elsie, sie solle
sich alle weiteren Worte sparen. Es möge vielleicht gut und nützlich sein, dort
etwas anzufangen.
    «Aber ohne mich! Mich ziehen keine zehn
Pferde mehr in die Gegend! Weder nach Normanton noch nach Croydon und erst
recht nicht nach Willstown!»
    Um eine Erfahrung reicher, wenn auch
niedergeschlagen, verließ Joan das Cafe. Eine Frau, die so dachte, paßte nicht
in ihre Pläne. Und doch hatte sie sehr auf Elsies Mitwirkung gezählt. Sie war
sich ihrer mangelnden Erfahrung bewußt, und je näher das Unternehmen seiner
Verwirklichung rückte, um so höher türmten sich die Schwierigkeiten, an die sie
bei der Geburt der Idee nicht gedacht hatte. Sie verbrachte einen traurigen
Abend im Hotel, flog am folgenden Tag nach Cairns und fand im Gedanken an die
gräßliche Bahnfahrt den Flugschein geradezu billig.
    Erst als sie im «Strandhotel» unsere
Briefe gelesen hatte, lebte sie wieder auf.
    Die ernste, magere Aggie war ihr in
guter Erinnerung, und daß ein so tüchtiger Mensch bereit war, zu ihr nach
Queensland zu kommen, bedeutete ihr außerordentlich viel. Ich glaube, sie hat
sich in jenen Wochen, da sie in Cairns auf Joe Harman wartete, recht einsam und
verlassen gefühlt. Bevor sie mit Harman gesprochen, wollte und konnte sie sich
zu nichts entschließen. Sie hat mir später erzählt, die zwanzig Wartetage im
«Strandhotel» nach ihrer Rückkehr aus Rockhampton seien die endlosesten ihres
Lebens gewesen. Jeden Morgen, wenn sie im kalten Dämmerlicht aufwachte, war sie
überzeugt, all ihr Treiben und Trachten sei heller Wahnsinn; sie werde sich nie
in dieser gottverlassenen Gegend heimisch fühlen; sie habe mit Harman nicht das
geringste gemein; am klügsten wäre es, ihn überhaupt nicht wiederzusehen! ‹Am
besten, ich fliege mit dem nächsten Flugzeug nach Sydney und fahre von dort mit
dem ersten billigsten Schiff nach England, wo ich hingehöre!›
    Jeden Mittag aber streuten irgendwelche
australisch nette, treuherzige Äußerungen einer Aufwärterin oder der Directrice
ins fertige Beet ihres Entschlusses Samen des Zweifels, die im Lauf

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