Eine stuermische Braut
Gesichts, umschlossen es sanft. Sie zog sie nicht fort, konnte sich nicht daran hindern, ihn zu spüren, zu schmecken, zu erkennen.
Als er schließlich wieder den Kopf hob, schwankte ihr ganzer Oberkörper hin und her, während ihre früheren Gewissheiten schwanden und neue Fragen auftauchten.
Er starrte ihr in die Augen.
»Mein Leben gehört doch ohnehin schon dir. Du kannst mit ihm verfahren, wie du willst. Du kannst es elend machen. Sogar zur Hölle auf Erden. Solange du lebendig genug bist. Es kümmert mich nicht.«
Er ließ den Blick über den Kai hinter ihr schweifen, stellte sie ab, ergriff mit einer Hand ihre und mit der anderen die Beutel.
»Und jetzt solltest du gehorchen und mitkommen.«
Er zerrte sie fort in eine Straße, die sie als Looe Street erkannte.
»Weißt du überhaupt, wohin du gehst?«
»Ja. Ich denke schon.« Über die Schulter blickte er sie an. »Seit Jahren bin ich nicht mehr in Plymouth gewesen. Zum Seafarer’s Arms ... Hier entlang, nicht wahr?«
»Ja.« Sie verzog das Gesicht, während er sie mitschleppte ... und sie es zuließ. Widerstand war zwecklos, denn ihr war klar, dass er sie dann wieder über seine Schulter werfen würde. Aber sie wollte ihm doch entkommen ... nicht wahr?
Sie ließ den Blick schweifen und sah sich um.
»Das ist nicht vernünftig.« Die Nacht brach an; nur noch wenige Menschen waren unterwegs. »Du kannst mich nicht gegen meinen Willen festhalten.«
Der Blick, den er ihr zuwarf, war dunkel - zu dunkel, um ihn lesen zu können.
»Wahrscheinlich nicht.« Er presste die Zähne aufeinander und schaute geradeaus. »Aber ich kann deine Meinung ändern. Es gibt keinen Grund, dass du nicht mitkommst. Und jeden, dass du es tun solltest.«
Ihr war klar, dass sie einen Wahnsinnigen nicht ermutigen sollte, aber trotzdem ...
»Warum?«
»Ich habe dir doch gesagt, warum«, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor, während er weitereilte. »Weil ich nicht ordentlich arbeiten kann, ohne zu wissen, dass du in Sicherheit bist. Und wenn du in Sicherheit bist, sind alle anderen es auch. Ich weiß, dass du nicht daran glaubst ... und noch weniger daran, dass ich zurückkehre, sobald meine Mission beendet ist. Aber ob du es nun glaubst oder nicht, an den Tatsachen ändert das gar nichts. So sehe ich die Dinge - das ist meine Wahrheit.« An einer Kreuzung blieb er stehen und fing ihren Blick auf. »Du könntest zumindest versuchen, mir die Gelegenheit zu geben, es zu beweisen.«
Sie hielt seinen Blick fest. Im Licht einer Straßenlaterne erforschte sie seine Augen, erkannte, dass er aufrichtig um eine Chance bat, zu beweisen, was er gesagt hatte. Und ganz gleich, wie streng sie ihn auch anblickte, das Mitternachtsblau seiner Augen zeigte nichts als Aufrichtigkeit und darunter einen unerschütterlichen Glauben.
Es war allerdings kein Glaube, in den sie irgendein Vertrauen setzte, sondern ausschließlich er.
Linnet hörte sich seufzen.
»In Ordnung.« Sie schaute sich betont um. »Wenn wir wirklich zum Seafarer’s Arms wollen, dann geht es dort entlang.«
Logan nickte, suchte die dämmrige Umgebung mit dem Blick ab und schloss seine Hand fester um ihre.
»Komm schon. Wir müssen uns beeilen. Inzwischen hat man uns mit Sicherheit schon erspäht.«
11
Linnet fragte nicht, wer hat uns erspäht?, und hielt den Blick abgewandt, als sie die Führung übernahm und sie beide zu der alten Taverne führte, die im ältesten Teil der Altstadt lag.
Sie wusste nicht genau, was sie tun sollte, aber es war ausgeschlossen, Logan jetzt allein zu lassen. Den Dolch trug sie immer noch bei sich, genau wie er seinen Säbel, und sie war überzeugt, dass er seine Stichwaffe irgendwo am Körper tragen musste. Außerdem hatte sie zwei Messer, in jedem Stiefelschaft eins.
Ohne weitere Störungen erreichten sie das Seafarer’s Arms. Aber ihr Instinkt war hellwach, und angesichts dessen, wie Logan sich umblickte, bevor er sich unter der niedrigen Tür hinter ihr in die Taverne duckte, schien es ihm nicht anders zu ergehen.
Drinnen hinter der Tür blieb sie stehen. Der Schankraum öffnete sich zu ihrer Linken. Es handelte sich um einen Raum mit niedriger Decke und massiven Eichenbalken, die ebenfalls niedrig hingen und an welchen unachtsame Köpfe sich leicht stoßen konnten. Lampen tauchten die lange Eichentheke in goldenes Licht. Fünf alte Seeleute saßen eingehüllt in einen rauchigen Nebel an Tischen vor dem Kamin. Eine alte Frau war in der Kaminecke eingenickt.
An der
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