Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
zur Probenbühne hinauf und ließ es sich nicht entgehen, dies mit folgenden Worten zu tun: »Hier ist eine, die Luise heißt und den Sanden sprechen will. Jawohl, nur Luise … das genüge, meint sie.« Dabei räusperte er sich, als habe er eine Kröte im Hals.
    Luise achtete nicht darauf. Sie ging vor dem Glaskasten des Portiers hin und her, die Hände ineinander verkrampft, den Kopf gesenkt. Der Portier beobachtete sie mit hängenden Mundwinkeln.
    Nervös ist sie, dachte er. Sehr nervös. Schlechtes Zeichen. Sieht aus, als wenn sie ein Kind von dem Sanden bekommt und gleich hier eine Szene abrollt, die nicht von Shakespeare ist. Er steckte den Kopf wieder durch das Fenster und hustete. Luise drehte sich um.
    »Er kommt sofort.«
    »Das habe ich doch gesagt.«
    Es gab keine Szene, als Robert Sanden die Treppe heruntergerannt kam und mit ausgebreiteten Armen auf Luise zuging.
    »Laß uns irgendwo hingehen«, sagte Luise leise, als er vor ihr stand. Der Portier, der mit langen Ohren an der Scheibe saß, hörte nichts als einen Hauch von Stimme. Gemeinheit, dachte er. Infamie! Einem kleinen Mann nicht einmal das zu gönnen …!
    »Ich habe Probe, Luise …« Sanden hielt beide Hände Luises fest.
    »Du mußt mitkommen. Ich brauche dich. Ich … ich … verliere wieder mein Augenlicht …«
    Robert Sanden nahm diesen Schlag mit einer bewunderungswürdigen Haltung hin. Nur seine Lippen zuckten, und seine Backenknochen bohrten sich durch die Haut.
    »Komm …«, sagte er leise und legte den Arm um Luises Schulter. »Gehen wir zu mir …«
    »Die Probe …«, rief der Portier aus dem Glaskasten, als er sah, daß Sanden das Theater verlassen wollte.
    »Sagen Sie Herrn Mohreg, er soll meine Rolle markieren. Ich bin in einer Stunde wieder da … es ist wichtig …«
    Der Portier grunzte und schob das Fenster zu.
    Wichtig. Was? Er hatte nichts von dem Flüstern verstanden. Also doch ein Kind, dachte er. Warum sonst so eine Geheimnistuerei?! Es ist immer dasselbe mit den Künstlern … auf der Bühne Helden, und im Leben rutschen sie aus –
    In der Wohnung Sandens konnte Luise endlich weinen. Hier fühlte sie sich geborgen, hier war ein Mensch, der mit ihr fühlte, der sie liebte und den sie auch zu lieben begann. Hier fiel alle Starrheit und Stärke von ihr ab … sie warf sich auf die Couch, verbarg das Gesicht in den Kissen und weinte haltlos und laut.
    Robert Sanden ließ sie weinen. Er saß vor ihr, umklammerte ein Glas mit Whisky und sah auf den zuckenden Kopf mit den dunklen Locken. Die Mitteilung, daß Luises Augen wieder dunkler wurden, hatte ihn getroffen wie ein tödlicher Schuß. Erst jetzt kamen ihm alle Konsequenzen einzeln zum Bewußtsein, die eine neue Blindheit, und diesmal eine endgültige, auslösen mußte und würde.
    »Wir müssen sofort nach Bologna zu Professor Siri«, sagte er, als Luises Weinkrampf sich etwas beruhigt hatte. »Er ist der einzige, der helfen kann …«
    Luise nickte. Sie stützte den Kopf in beide Hände und starrte in die Kissen. Ein graudumpfes Kissen, und sie wußte, daß es roter, leuchtender Samt war.
    »Und wenn nicht …?« fragte sie kaum hörbar.
    »Was nicht?«
    »Wenn er nicht mehr helfen kann?«
    »Es ändert sich nichts. Ich liebe dich weiter wie bisher … muß man darüber sprechen? Ich habe dich geliebt in dem Glauben, daß du blind seist, vergiß das nie! Daß du in Wirklichkeit sehen konntest, war ein Geschenk Gottes an mich.«
    »Und nun werde ich doch blind …«
    »Professor Siri wird helfen! Wir müssen sofort hin!«
    Luise nickte. Und dann sagte sie das, was auch Sanden dachte.
    »Aber wie?«
    »Es gibt jetzt keine Rücksichten mehr. Es geht nicht mehr um dein Geld, nicht mehr um Monika und deinen Mann, um die Rache an einem Betrug, um die Sühne einer Sünde, um Unterschlagungen und Geldgier … es geht jetzt nur noch allein um deine Augen!« Sanden setzte sich zu Luise und drückte ihren zuckenden Kopf an sich. »Ich werde Dahlmann die volle Wahrheit sagen … und dann fahren wir nach Bologna …«
    »Er … er wird dir etwas antun!«
    »Dazu ist er zu feig! Aber es ist endlich Schluß mit diesem Spiel! Ich habe es nie für richtig gehalten …«
    »Jetzt geht es auch um Monika, Robert.«
    »Dazu ist die Polizei da.«
    »Aber wenn ich andere Möglichkeiten als die Polizei habe, die Wahrheit zu erfahren …?«
    »Es ist Schluß!« Sanden sprang auf. Seine sonst schöne, weiche Stimme war hart und metallisch. »Es geht allein um dich … um nichts anderes mehr.

Weitere Kostenlose Bücher