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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wenn du willst … auch um mich! Nichts auf der Welt ist jetzt wichtiger als deine Augen. Wir müssen zu Professor Siri, und wenn es durch die Hölle zu ihm geht. Komm … ich bringe dich nach Hause. In einer halben Stunde ist das ganze Dahlmann-Drama vorbei, und wir fahren nach Bologna.« Er riß Luise von der Couch zu sich hoch und drückte sie fest an sich. »Was kann uns jetzt noch aufhalten?! Alles ist doch so nichtig gegen das Licht in deinen Augen.«
    »Ich habe Angst –«, sagte Luise tonlos.
    »Angst? Vor deinem Mann? Das ist in einer Stunde Vergangenheit.«
    »Angst vor allem! Vor Professor Siri, der Untersuchung, dem neuen Blindsein, dem Leben … Ich habe Angst, daß ich nicht zum zweitenmal die Kraft aufbringe, blind zu sein, jetzt, wo ich weiß, was Licht wirklich ist …« Sie drückte das Gesicht an seine Brust und klammerte sich an ihm fest. »Ich weiß, daß ich die Kraft nicht mehr habe …«, weinte sie.
    Robert Sanden wußte es auch. Was auf Luise zukam, war mehr, als ein Mensch ertragen konnte. Hier half keine Liebe mehr, kein Zureden, keine Zärtlichkeit, kein Reichtum, keine Bemühung, die wieder versunkene Welt durch das Gehör weiterleben zu lassen. Wenn Luises Augen erneut verloschen, war es auch ein Verlöschen des Menschen Luise. Professor Siri hatte jetzt nicht nur das Licht zweier Augen zu retten, sondern ein Leben.
    »Ich rufe in Bologna an«, sagte Sanden heiser.
    Das Blitzgespräch kam in zwanzig Sekunden durch. Das Sekretariat der Clínica St. Anna ließ Dr. Saviano rufen.
    »Sofort kommen!« rief der Assistent Professor Siris. Man hörte, wie entsetzt er war. »Der Professore ist heute nicht hier. Ich werde es ihm sagen, heute Nacht noch. Kommen Sie mit Flugzeug … sofort … und legen Sie auf alle Fälle eine Binde um die Augen … sofort eine Binde. Sie darf nicht mehr sehen, sie darf kein Pünktchen Licht mehr haben … Noch besser … verkleben Sie ihr die Augen mit Leukoplast …«
    Robert Sanden legte auf. Luise saß auf der Couch und sah ins Leere. Kein Licht mehr … sofort verbinden … Leukoplast auf die Augen … er brachte es nicht fertig, es Luise zu sagen.
    »Was meint Dr. Saviano?« fragte sie ohne aufzublicken.
    »Sofort kommen. Mit dem Flugzeug.«
    »Hat er noch Hoffnung?«
    »Davon hat er gar nicht gesprochen. Er muß dich ja erst sehen.«
    »Wovon hat er sonst gesprochen?« Luise sah auf, als Sanden nicht sofort antwortete. In seinen Augen las sie die Wahrheit. »Kein Licht mehr, nicht wahr …« sagte sie leise.
    Sanden nickte stumm. Seine Kehle war ausgedörrt und rissig. Er brachte keinen Ton heraus.
    »Freiwillig blind also?«
    »Bis zur Untersuchung …« Seine Stimme hatte jeglichen Ton verloren.
    »Womit?«
    »Eine Binde … Watte mit Leukoplast … oder … oder …«
    »Ich habe alles zu Hause.« Sie schloß die Augen und setzte die dunkle Brille auf. »Komm … bring mich nach Hause. Ich verspreche dir, die Augen zuzuhalten. Ich will nicht einmal mehr blinzeln … Fahr mich nach Hause …«
    Sie tastete nach seiner Hand und merkte, wie schwer es ihr wieder war, sich im Dunkeln erneut zurechtzufinden. Er faßte sie, und seine Finger waren eiskalt. Langsam, Schritt für Schritt gingen sie hinaus aus dem Haus und zu Sandens kleinem Wagen. Ein paarmal stolperte Luise, und immer wieder war sie versucht, die Lider zu heben und schnell zu sehen. Aber sie tat es nicht … kein Licht mehr, hatte Saviano gesagt. Ab sofort! Ob es noch eine Chance gab? Für diese Hoffnung jetzt freiwillig blind zu sein, war kein Opfer mehr. Es waren nur noch Stunden … wie winzig sind sie, wenn man mit ihnen das Licht des Tages und die Sterne der Nacht retten kann …
    *
    Ernst Dahlmann hatte nach Rücksprachen bei dem Direktor der Fluggesellschaft endlich die Zusicherung erhalten, einen Platz in der Maschine nach Zürich zu erhalten. Er fuhr zu einem anderen Reisebüro und bestellte dort eine Bahnkarte nach Flensburg. In einem dritten Büro kaufte er eine Fahrkarte nach Paris, in einem vierten eine Karte nach Calais-Dover-London. Dann trank er zufrieden eine Tasse Kaffee und einen Kognak dazu.
    Man soll sich totlaufen, dachte er vergnügt. Ob Zürich, Dänemark, Paris oder London … überall kann Ernst Dahlmann hingefahren sein. Es wird sich nie feststellen lassen, wohin er wirklich geflüchtet ist und welche Grenze er überschritten hat. Er hat sich in alle vier Winde aufgelöst … das wird von allen Nachforschungen übrigbleiben …
    Dahlmann hatte also allen Grund,

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