Eine Sünde zuviel
und hämmerte.
Tack-tack-tack
Dahlmann knipste den Apparat wieder aus. Dann trank er noch einen Kognak, sah auf die Uhr und beschloß, entgegen seiner Absicht, in der Apotheke zu bleiben, doch hinauf zu Monika zu gehen und nach ihr zu sehen. Um diese Stunde kamen erfahrungsgemäß kaum Nachtkunden … die Zeit zwischen ein und drei Uhr ist immer ein toter Punkt. Eine Viertelstunde Liebe war dabei zu erobern.
Luise hörte, wie er hinauf ins Atelier ging. Sie setzte sich im Bett hoch und lauschte.
Die Tür klappte, aber schon kurz darauf fiel sie wieder zu. Dahlmann kam ins Schlafzimmer, kaum, daß sich Luise wieder schlafend stellen konnte. Er sah verwirrt aus, ratlos, ging ins Bad, ließ Wasser in ein Glas laufen und schluckte anscheinend eine Tablette zur Beruhigung. Dann ging er wieder hinaus, hinüber ins Wohnzimmer und setzte sich unter die Stehlampe.
Das Atelier war leer gewesen. Monika war nicht mehr da. Auf der Staffelei lag ein Brief. Ein kurzes Schreiben, das Dahlmann als völlig verworren ansah:
»Bitte, suche mich nicht. Ich komme nie mehr zurück. Ich weiß jetzt, daß Luise sehen kann. Ich weiß es ganz sicher. Sie war bei mir, hier im Atelier. Diese Nacht. Wir haben uns schändlich benommen, ich schäme mich vor mir selbst, ich kann in keinen Spiegel mehr sehen … Was immer auch Du jetzt tun wirst, denke daran: Luise kann sehen!
Monika.«
Ernst Dahlmann las diesen Brief mehrmals, und je öfter er die wenigen Zeilen überflog, um so sicherer war er sich, daß Monikas Nerven einfach durchgegangen waren und daß sie wiederkommen würde, wenn sie sich beruhig hatte. Einzig und allein der Satz: »Sie war bei mir, hier im Atelier. Diese Nacht.«, stimmte ihn nachdenklich und machte ihn irgendwie unsicher.
Er nahm den Brief und ging zurück ins Schlafzimmer. Er drehte das volle Licht an und richtete den Schein der Nachttischlampe auf das Gesicht Luises. Sie sieht und merkt es ja nicht, dachte er dabei. Sie lebt in ewiger Nacht.
Er faßte sie an die Schulter und rüttelte sie. »Luiserl!« rief er. »Luiserl …«
Luise tat, als wache sie auf. Sie starrte in das grelle Licht, ohne ein Zucken, ohne ein Zusammenkneifen der Augen. Es kostete unmenschliche Kraft, in diese Grellheit hineinzustieren, ohne sich abzuwenden oder mindestens die Lider zu schließen.
»Ja … was ist denn, Ernsti … Wie spät ist es denn? Ist schon Morgen?« Sie stützte sich auf. Sie sah den Brief Monikas in seiner Hand, und sie wußte plötzlich, daß sie allein im Hause waren. Dahlmann hielt ihr den Brief vor die Augen … sie blickte daran vorbei, so schwer es ihr fiel. Mit einem Seufzen lehnte sich Dahlmann zurück und zerknüllte den Brief zwischen den Fingern.
Sie sieht nichts! Wenn alles so sicher wäre wie das! Nur ein Blinder kann in dieses grelle Licht starren, nur eine Blinde wirft keinen Blick auf den Brief der erkannten Rivalin.
»Es ist nichts, gar nichts, Luiserl …«, sagte Dahlmann heiser. »Als ich hereinkam, hast du im Schlaf gestöhnt. Da habe ich dich geweckt. Hast du geträumt …?«
»Nein. Ich habe fest geschlafen.«
»Dann schlaf weiter, Luiserl.« Er küßte sie auf die Augen. »Und wenn du träumst … dann bitte nur von mir …«
Sie nickte und legte sich auf die Seite. Er löschte wieder alle Lichter und ging hinunter in die Apotheke.
Du Lump, dachte sie. Du gemeiner Schuft.
O mein Gott, womit habe ich das verdient?
Und auf einmal konnte sie auch wieder weinen.
*
Am nächsten Tag entfaltete Dahlmann eine rege Aktivität.
Zunächst verzichtete er nicht auf den Effekt, seinen kleinen künstlichen Specht tacken zu lassen. Beim Frühstück hämmerte er lustig vom Schrank herab, und Luise vollbrachte eine schauspielerische Meisterleistung, indem sie sich die Ohren zuhielt und immer wieder rief: »Es klopft … es klopft … Hörst du es denn nicht?«
Dahlmann verneinte und rief Dr. Vierweg an. »Bitte, kommen Sie doch heute nachmittag vorbei, Doktor«, sagte er im Beisein Luises. »Meine Frau fühlt sich nicht wohl. Nein, kein Ticken … diesmal ist es ein Klopfen.« Er wandte sich zu Luise um. »Hörst du es noch immer, Liebes?«
»Ja –« Dahlmann hob den Hörer wieder ans Ohr.
»Meine Frau sagt eben ja, Doktor. Dabei ist es hier ganz still. Ja, danke. Gegen sechzehn Uhr kommen Sie … danke, Doktor –«
Trotz der Müdigkeit, die durch den Nachtdienst und die Erregung über den Weggang Monikas über ihm lag, fuhr er am Vormittag zu Rechtsanwalt Dr. Kutscher.
Der Anwalt schüttete
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