Eine süße Versuchung für Marcy
schaute eine DVD. Über den Bildschirm flimmerte ein alter Schwarz-Weiß-Western. Als sie das Zimmer betrat, drückte er auf die Pausentaste.
„Hatten Sie einen schönen Abend?“, fragte er.
„Ja. Und Sie?“
„Es war ganz interessant. Dylan ist auch eben erst ins Bett gegangen.“
Er sieht wirklich unverschämt gut aus, dachte Marcy. Und sein Beschützerinstinkt hatte auch etwas sehr Anziehendes. Ebenso wie seine Arme und seine breite Brust … und der Rest seines Körpers …
Sie ließ sich ihm gegenüber in einen Sessel fallen, so wie sie es bis jetzt jeden Abend getan hatten – fast wie ein Ehepaar oder Eltern, die endlich ein paar ruhige Minuten für sich hatten.
„Welche Nachbarn haben Sie denn noch kennengelernt?“, erkundigte sie sich.
„Das Paar, das gegenüber Annies Haus wohnt. Sie arbeiten auch an der Uni, allerdings nicht als Lehrer. Und noch ein Paar – beides Anwälte.“
„Eine Straße voller Akademiker.“
„Scheint so. Annie hat erzählt, dass in der Gegend etwa dreißig Kinder leben. Es gab Truthahn-Burger.“
Marcy grinste. „Aus dem Bioladen, nehme ich an.“
Er grinste zurück. „Ich habe nicht danach gefragt. Was hatten Sie denn zum Abendessen?“
„Pizza. Meine Freundin hat zwei kleine Kinder, und sie kann es sich nicht leisten auszugehen. Aber es ist immer schön mit ihr. Sie ist meine Zuflucht, wenn ich keinen Job habe.“
Er streckte die Beine von sich. „Ich bin extra aufgeblieben, weil ich Sie etwas fragen wollte.“
„Nur zu.“
„Würden Sie Dylan tatsächlich bei sich aufnehmen, wenn Sie ein Haus hätten?“
„Aber sicher.“
„Warum?“
„Weil er obdachlos ist. Und ich glaube nicht, dass er sich das ausgesucht hat. Er scheint ein guter Junge zu sein.“
Eric beugte sich nach vorn. Unwillkürlich sprach er leiser. „Wir wissen nichts über ihn außer dem, was er uns erzählt hat und was ich von der Polizei erfahren habe. Wir wissen nicht einmal, ob Anthony sein wirklicher Nachname ist. Vielleicht ist es sein zweiter Vorname.“
„Ich halte mich für eine ziemlich gute Menschenkennerin.“
„Und er könnte ein ziemlich guter Schauspieler sein. Ich sage nur: Seien Sie vorsichtig. Vertrauen Sie ihm nicht blindlings. Er steht schon zweimal im Strafregister.“
„Wegen Kleinkram. Gestohlene Kekse.“
„Einbruch.“
„Nur weil Sie ein Zyniker sind, muss ich es doch nicht auch sein. Ich kenne Sie jetzt ungefähr genauso lange wie Dylan, und Ihnen vertraue ich doch auch. Oder sollte ich das besser nicht tun?“
Sein Lächeln war ein bisschen schief. „Eine Sache, die ich an Ihnen mag, ist Ihre Direktheit.“
Und meinen Körper, dachte sie. Aber sie wusste längst, nach was für einer Frau er Ausschau hielt. Sie musste gebildet sein und in die Nachbarschaft passen. Eine, die so schnell wie möglich Kinder wollte. Keines der Kriterien traf auf sie zu.
„ Eine Sache?“, wiederholte sie.
„Wollen Sie jetzt Komplimente hören?“
„Sie sagten, eine Sache. Ich würde gern die anderen wissen.“
Er legte die Fingerspitzen gegeneinander. „Sie arbeiten viel. Und zwar selbstständig. Man braucht Sie nicht im Auge zu behalten.“
Sie ließ die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Ein dickes Lob, in der Tat. Kriege ich jetzt eine Gehaltserhöhung, Boss?“
Er lachte. „Okay, okay. Sie sind begeisterungsfähig und gründlich und mütterlich. Ist das besser?“
„Viel. Möchten Sie jetzt hören, was mir an Ihnen gefällt?“
Er schien darüber nachzudenken. „Beschränken Sie sich auf eine Sache.“
„Nur eine?“ Sie überlegte lange. „Nun ja, wenn ich mich auf eine beschränken muss, dann würde ich sagen: Ihr Sex-Appeal.“
Verblüfft sah er sie an. Ihre Direktheit war wirklich sehr erfrischend. „Das Gleiche hätte ich auch von Ihnen sagen können, aber ich möchte keine Anzeige wegen sexueller Belästigung am Hals haben.“
Wäre da nicht dieses Funkeln in ihren Augen gewesen, hätte er glauben können, sie würde seine Worte für bare Münze nehmen. „Werden Sie sich bei Julia über mich beschweren?“
„Gleich morgen früh werde ich sie anrufen.“ Er wurde wieder ernst. „Passiert Ihnen das öfter bei Ihren diversen Jobs?“
„Dass ich meinen Boss sexy finde?“
„Nein. Dass Sie sexuell belästigt werden. Denn so, wie Sie aussehen …“
Jetzt wird’s interessant. „Wie sehe ich denn aus?“
„Immer noch wild auf Komplimente?“
„Natürlich. Tun Sie sich keinen Zwang an.“ Ein solches Vorspiel war
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