Eine Tiefe Am Himmel
waren sie wirklich notwendig. Er mochte und achtete viele von ihnen. Zu beiden Seiten von ihm machten Arla und Brun unaufdringlich den Weg für ihn frei. Beide Sicherheitsleute waren Unzeitlinge, etwa zwanzig Jahre alt, gerade ein wenig jünger, als Klein Viktoria jetzt sein müsste. Es waren gute Kupps, so gut wie irgendeiner, an dessen Seite er jemals gekämpft hatte. Ja, von Fall zu Fall war Hrunkner Unnerbei mit seinem Widerwillen zurechtgekommen. Aber… Ich habe noch nie so viele Unzeitlinge auf einem Haufen gesehen.
»He, alter Bursche, komm, tanz mit uns!« Zwei junge Damen und ein Kerl sprangen auf ihn zu. Irgendwie kriegten Arla und Brun ihn frei, wobei sie die ganze Zeit vorgaben, selber fröhliche Tänzer zu sein. Im abgedunkelten Raum unter einem Baum erhaschte Unnerbei einen Blick auf etwas, das wie die Häutung eines Fünfzehnjährigen aussah. Es war, als wären alle überkommenen Bilder von Sünde und Faulheit auf einmal wahr geworden. Gewiss, die Luft war angenehm warm, doch es lag der Gestank von Schwefel in ihr. Gewiss, der Boden war angenehm warm, doch er wusste, dass es nicht die Wärme der Sonne war. Vielmehr war es eine Wärme in der Erde selbst, die sich tiefer und tiefer erstreckte wie Wärme von einem verwesenden Körper. Jede Tiefe, die man hier grub, wäre eine Todesfalle, so warm, dass das Fleisch der Schläfer in ihren Schalen verfaulen würde.
Unnerbei wusste nicht, wie Arla und Brun es anstellten, doch schließlich waren sie auf der anderen Seite des Waldes. Hier gab es noch Mengen von Leuten und Bäume – doch die Manie des Kraterbodens war gedämpft. Das Tanzen war ruhig genug, dass keine Kleidung zerrissen wurde. Hier fühlten sich die Waldelfen sicher genug, um auf ihren Jacken zu landen, dazusitzen und den bunten Flor ihrer Flügel mit fauler Dreistigkeit zu schwingen. Überall sonst auf der Welt hatten diese Wesen schon vor Jahren ihre Flügel verloren. Vor fünf Jahren war Unnerbei nach einem strengen Frost durch die Straßen von Weißenberg gegangen, und unter seinen Stiefelspitzen hatten Tausende von bunten Blättern geknirscht, die Flügel der vernünftigen Waldelfen, die sich tief eingruben, um ihre winzigen Eier zu legen. Die faule Variante hatte vielleicht ein paar Sommer mehr zu leben, doch sie waren zum Untergang verurteilt – oder hätten es sein sollen.
Die drei gingen immer höher, die ersten Hänge der Kraterwände hinauf. Vor ihnen reichten die Häuser des Späten Schwindens als Ring von Licht rings um die Wand. Natürlich war keins davon älter als zehn Jahre, doch die meisten waren im Sonnenschirm-und-Flitter-Stil der vorigen Generation gebaut. Die Gebäude waren neu, doch das Geld und die Familien waren alt. Fast jedes Grundstück war ein Radialbesitz, der sich die Kraterwand hinan erstreckte. Die Häuser des frühen Schwindens, auf halber Höhe am Hang, waren oft dunkel, ihre offene Architektur nicht mehr brauchbar. Unnerbei sah den Glanz von Schnee auf den Dächern der höher gelegenen Häuser. Scherkaners Haus lag irgendwo dort oben bei denen, die reich genug waren, um den Boden des Grundstücks zu heizen, aber nicht so reich, um weiter unten am Grund nochmals zu bauen. Scherkaner wusste, dass selbst die Calorica-Bucht dem Dunkel der Sonne nicht entgehen würde… Dazu brauchte es Kernkraft.
Zwischen den Lichtern des Grundwaldes und dem Häuserring lag Schatten. Die Waldelfen starteten mit glitzernden Flügeln, um zum Grund zurückzufliegen. Der Schwefelgeruch war schwach, nicht so scharf wie die saubere Kälte der Luft. Über ihnen war der Himmel dunkel bis auf die Sterne und die fahle Sonnenscheibe. Das war real – das Dunkel. Unnerbei starrte nur einen Moment lang und versuchte, die Lichter am Grunde zu ignorieren. Er versuchte zu lachen. »Also was wäre euch lieber, Kupps, ein bisschen ehrliche Feindeinwirkung oder noch einmal durch den Mob?«
Arla Untertors Antwort war ernst. »Ich würde natürlich den Mob wählen. Aber… das war sehr seltsam.«
»Beängstigend, meinen Sie.«
»Ja«, sagte Arla. »Aber haben Sie’s bemerkt? Eine Menge von diesen Kupps hatte auch Angst. Ich weiß nicht, es ist, als wären sie alle – wir alle – faule Waldelfen. Wenn man emporschaut und das Dunkel sieht, wenn man sieht, dass die Sonne gestorben ist… fühlt man sich schrecklich klein.«
»Ja.« Mehr wusste Unnerbei nicht zu sagen. Diese beiden jungen Leute waren Unzeitlinge. Sie waren sicherlich nicht das ganze Leben von lauter traditionalistischen
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