Eine tödliche Erinnerung (German Edition)
Ulla würde sich jedenfalls freuen, wenn du am Wochenende zu ihrer Geburtstagsfeier kommst. Sie hat dich noch nicht aus ihrem Gedächtnis gestrichen."
Marko schaffte es tatsächlich, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Wenn ich schon keine neuen Freunde fand, sollte ich vielleicht wenigstens die alten Kontakte weiter pflegen. Also sagte ich spontan zu. Dann würde ich eben schon an diesem Wochenende nach Hause fahren und nicht erst in 14 Tagen, wie es eigentlich geplant war.
"Kannst du mir Ullas Telefonnummer geben?", fragte ich. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie gespeichert hatte. "Ich rufe sie dann gleich noch mal an."
"Das ist nicht nötig", erwiderte Marko schnell. "Ich treffe sie morgen im Gericht, da sage ich ihr, dass du kommst. Sie wird sich bestimmt sehr freuen. Ich muss jetzt gleich los. Dann also bis Sonntag."
Ich fand die Nummer dann doch und beim zweiten Versuch erreichte ich Ulla. Sie klang sehr überrascht, mich zu hören. Ich entschuldigte mich erst einmal für mein langes Schweigen und schilderte kurz, wie mich meine neue Tätigkeit gefangen nahm. Dann erklärte ich, dass ich mich wirklich freuen würde, sie wiederzusehen, und gern zu ihrer Feier käme.
Ulla sagte eine ganze Weile nichts und als sie zu sprechen begann, klang ihre Stimme verlegen.
"Also ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber das ist jetzt echt ein bisschen schwierig..."
Ich verstand nicht, was sie damit wohl meinte.
"Ich mag dich wirklich gern, Iris", setzte sie erneut an, "und ich freue mich natürlich, dass du an meinen Geburtstag gedacht hast. Aber mit Marko bin ich nun mal länger befreundet und inzwischen haben wir auch beruflich miteinander zu tun. Selbstverständlich kommt er zu meiner Feier und er möchte seine neue Freundin mitbringen. Er will allerdings nur kommen, wenn du nicht da bist. Er will keine Unstimmigkeiten aufkommen lassen. Und ich wusste ja nicht..."
"Schon gut, Ulla", unterbrach ich sie, "hier liegt ein Missverständnis vor. Marko hat heute mit mir telefoniert und gesagt, er würde sich freuen, wenn ich auch käme. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er nicht souverän genug ist, mit der Situation vernünftig umzugehen. Und dann auch noch zu feige, das offen zu sagen. Ich weiß schon, warum ich nicht mehr mit ihm zusammen bin."
"Also Iris, wenn Marko das so zu dir gesagt hat, dann kannst du natürlich..."
"Nein Ulla, wirklich nicht. Wir wollen den armen Jungen doch nicht in Verlegenheit stürzen. Ehrlich gesagt, passt es mir terminlich auch nicht gut. Dafür habe ich vor, in 14 Tagen nach Hause zu kommen. Ruf mich einfach an und wir trinken einen Kaffee zusammen."
"Klar Iris, so machen wir es." Die Erleichterung war Ulla deutlich anzuhören. Auch ich war erleichtert, das Gespräch beenden zu können. Ich musste dringend Dampf ablassen. Mit voller Wucht trat ich gegen einen Stuhl, der krachend gegen die Wand flog. "Du Wichser", brüllte ich, "du verdammtes Arschloch!"
In der Wohnung unter mir fing Brutus an zu bellen. Das brachte mich augenblicklich zur Besinnung. Was sollte bloß Frau Lehmann von mir denken? Da hörte ich sie auch schon auf der Treppe. "Fräulein Forster, haben Sie sich etwas getan?", fragte sie besorgt.
"Alles in Ordnung", sagte ich schnell, "ich stelle nur ein Regal auf und habe mir die Hand geklemmt."
"Am besten gleich kühlen!", riet Frau Lehmann.
Kühlen war eine gute Idee. Ich ging ins Bad und ließ mir kaltes Wasser über die Handgelenke laufen.
21.
"So ein fieser kleiner Intrigant!", sagte Ruth, als ich ihr von Markos Aktion erzählte. "Aber das passt absolut zu seiner Struktur. Der wird doch noch zum Stalker."
Ich schüttelte den Kopf. "Das wagt er nicht. Marko ist Jurist und weiß was ihm droht, wenn er sich zu weit aus dem Fenster lehnt. Seine Karriere ist die heiligste unter all seinen Kühen. Der würde er niemals Schaden zufügen."
Mir allerdings schon. Ich mochte mir die Peinlichkeit der Situation, in die ich beinahe geraten wäre, gar nicht ausmalen. Die betretenen Blicke der Anwesenden bei meinem Auftauchen. Marko, der seiner neuen Flamme beruhigend die Hand tätschelte. Vermutlich hatte er verbreitet, ich würde ihm nachstellen. Es wäre für mich kaum möglich gewesen, das richtigzustellen.
Ruth riss mich aus meinen trüben Gedanken. "Vergiss ihn!", sagte sie. "Da wir gerade von Stalkern reden: Wie kommst du mit Frau Stammer voran?"
"Das wird die nächste Woche zeigen. Da haben wir den Gesprächstermin mit Wolfgang Gerlach vereinbart. Er
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