Eine tödliche Erinnerung (German Edition)
hat sich von Anfang an nur um mich gekümmert. Er hat sich die Verletzung angeschaut und gefragt, ob wir irgend etwas eingenommen hätten. Ich habe ihm gesagt, nur Tee, sonst nichts. Sie haben mich dann in den einen Krankenwagen bugsiert und sind losgefahren, was mit Frau Tietze-Mühlberger passierte, habe ich überhaupt nicht gesehen.
Im Krankenhaus habe ich nach ihr gefragt, aber nur ausweichende Antworten bekommen. Erst heute früh habe ich von ihrem Tod erfahren. Ich war total geschockt und dann kam auch schon diese Polizistin und stellte mir Fragen. Sie wurde bald richtig aggressiv, wollte wissen, was ich Frau Tietze-Mühlberger in den Tee getan hätte. Als ich gesagt habe, nur Minze und Limetten, hat sie mich angebrüllt: Ich solle sie nicht veralbern, ich hätte die Frau vergiftet. Da bin ich wieder umgekippt und als ich aufwachte, konnte ich nicht mehr sprechen."
Melissa atmete tief durch, sichtbar erleichtert, ihre Schilderung zu Ende gebracht zu haben. Ich nickte Johannes aufmunternd zu, worauf er seinen Stuhl näher zu uns heranzog. "Frau Morgenroth", fragte er mit einer Sanftheit, wie ich sie so von ihm sonst gar nicht kannte, "fühlen Sie sich in der Lage, mir noch ein paar Fragen zu beantworten?"
Auf Melissas Zustimmung hin begann er nachzuhaken und klang dabei wieder sehr professionell.
"Dieser Anruf von der Krankenschwester, wann war der genau?"
"Das war Viertel vor Elf. Ich habe auf die Uhr gesehen."
"Und wie lange hat er gedauert?"
"Mit der Wartezeit bis das Gespräch dann unterbrochen wurde, gut 10 Minuten."
"Und in dieser gesamten Zeit stand der Tee im Garten auf dem Tisch, unbeaufsichtigt sozusagen."
"Ja, natürlich, es war doch niemand weiter da."
"Ist der Garten von außen zugänglich?"
"Es gibt keinen Zaun mehr, allerdings ist die Hecke sehr dicht und die Rosen haben Dornen."
Johannes nickte zufrieden. "Das würde ich schon als zugänglich bezeichnen. Nun zur nächsten Frage. Sind Sie nach dem Telefonat noch einmal in den Garten zurückgekehrt?"
"Nein, dazu bin ich nicht gekommen. Da klingelte doch schon Frau Tietze-Mühlberger an der Haustür."
"Das war dann gegen 11 Uhr?"
"Ja, genau."
"Warum haben Sie das Telefon eigentlich nicht einfach mit in den Garten genommen?"
Erstmals erschien die Andeutung eines Lächelns auf Melissas angespanntem Gesicht.
"Weil das nicht ging. Ich habe einen alten Apparat, der ist fast schon antik. Ich telefoniere nicht so oft."
"Dann erübrigt sich wohl auch die Frage, weshalb Sie das Krankenhaus nicht einfach zurückgerufen haben. Ich nehme an, Sie konnten die Nummer nicht sehen?"
"Nein, das konnte ich nicht."
"Um gleich bei den Anrufen zu bleiben: Ist es üblich, dass sich Ihre Vermieterin nach Ihren Besuchern erkundigt?"
"Leider ja, aber sie meint das nicht böse. Sie hat panische Angst davor, dass der Neffe ihres verstorbenen Lebensgefährten sie wieder ausspionieren lassen könnte. Das ist nämlich schon vorgekommen und ich bin darauf hereingefallen.
Da hatte sich jemand als Mitarbeiter vom Ordnungsamt ausgegeben und den Zustand des Grundstücks moniert. Das Ordnungsamt hatte aber niemanden geschickt, wie sich später herausstellte."
"Und wie lange haben Sie mit Ihrer Vermieterin gesprochen?"
"Das kann ich nicht genau sagen, es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Aber es war vielleicht nur eine Viertelstunde."
"Demnach waren Sie gegen Viertel nach 11 wieder im Garten. Der Notruf soll um 13.30 Uhr eingegangen sein." Johannes schien nachzurechnen. "Wie lange haben Sie dann noch mit Frau Tietze-Mühlberger zusammen gesessen bis Sie aufgestanden sind, um den Notarzt zu rufen?"
"Nur ganz kurz, es ging alles sehr schnell, ein paar Minuten vielleicht."
"Demnach müssten Sie länger als eine Stunde bewusstlos gewesen sein."
Melissa zuckte hilflos die Schultern. "Es ist gut möglich, aber ich weiß es nicht", sagte sie.
Johannes ließ diesen Punkt auf sich beruhen und kam nun zum delikaten Teil, indem er sich erkundigte, in welcher Beziehung sie zu Frau Tietze-Mühlberger gestanden hätte. Melissas Bericht dazu fiel kühl und sachlich aus. Sie erwähnte das intime Verhältnis zu ihrem Kunstprofessor als würde es sich dabei um die natürlichste Sache der Welt handeln. Dann sprach sie über die offene Ehe der Tietze-Mühlbergers und betonte, selbst nie den Wunsch nach einer dauerhaften Bindung an den Mann verspürt oder gar geäußert zu haben.
"Wir wollten am kommenden Wochenende nach Florenz fahren", sagte sie. "Natürlich mit dem Wissen und
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