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Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Titel: Eine tödliche Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Limar
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ersten Moment war ich sprachlos."Wie konntest du das so schnell malen?", fragte ich.
    "Ich habe schon seit längerem daran gearbeitet, es ist nur gerade fertig geworden."
    "Aber ich habe dir doch gar nicht Modell gesessen. Wie konntest du da ... ?"
    Melissa lachte. "Ich habe ein fotografisches Gedächtnis. Das ist sehr nützlich beim Malen. Ein Portrait soll vor allem das Wesen eines Menschen einfangen und keine oberflächliche Eins zu Eins Wiedergabe sein."
    "Wer weiß, ob es nicht doch noch einmal sehr wertvoll wird", scherzte ich. "Du wirst garantiert berühmt und dann so hoch gehandelt wie Neo Rauch. Ich finde es ganz toll und ich danke dir dafür."
    Das Bild gefiel mir tatsächlich, nicht nur, weil ich darauf schöner und interessanter aussah als ich mich in Wirklichkeit fühlte. Beeindruckend war auch die Umgebung, in die Melissa mich gestellt hatte. Es war eine weite, grünende Landschaft. Rechts von mir zogen dunkle Wolken auf und ein Vogelschwarm stieg aus einem Busch in die Lüfte als wollte er vor dem drohenden Unwetter fliehen. Mein Blick war jedoch nach links gerichtet, wo man unter einem blauen Himmel bis zum Horizont schauen konnte. Im Vordergrund spielte ein junges Paar mit einem Kind, ein Stück weiter hinten saß ein älteres Paar auf einer Bank. Hinter den älteren Leuten bewegte sich eine Hochzeitsgesellschaft auf den Horizont zu, wo ganz klein und nur noch undeutlich zu erkennen, Menschen mit Sensen auf den Feldern die Ernte einbrachten. Melissas Metapher sollte offenbar ausdrücken, dass sich mein Blick über die Generationen hinweg in die Vergangenheit richten würde. In der Hand hielt ich eine blaue Iris, den Stiel locker zwischen zwei Fingern, die Blüte nach unten zeigend. Bedeutete das, die Kämpferin würde ihre Waffe senken und aufgeben? Melissa mochte es nicht, wenn man sie nach Deutungen fragte, ihre Bilder sollten für sich sprechen.
    "Es ist sehr vielschichtig", sagte ich deshalb nur, "ich werde es mir noch oft in Ruhe ansehen und sicher immer wieder etwas Neues entdecken. Das mag ich so an deinen Bildern. Auf jeden Fall bekommt es einen Ehrenplatz."
    Damit wandten wir uns der heutigen Stunde zu. Ich fragte Melissa, was sie in den vergangenen Tagen am meisten bewegt hätte. Erwartungsgemäß war es immer noch mein Gespräch mit ihrem Adoptivvater. Sie hatte seine Grüße und guten Wünsche geradezu begierig in sich aufgesogen. Es war verständlich, dass sie nun erneut darauf zurückkam und gern mehr hören wollte. Ich musste auf der Hut sein, denn natürlich hatte ich nicht alles erzählen können und wollte vermeiden, dass sie misstrauisch wurde. Wie immer zeigte Melissa viel Verständnis für die Befindlichkeiten anderer. Sie bedauerte ihre Adoptiveltern wegen der Belagerung durch die Presse. Dass ihr Adoptivvater beklagte, ihr nicht mehr familiäre Geborgenheit geboten zu haben, relativierte sie sofort. "Er hat wunderschöne Reisen mit mir unternommen. Wir waren zusammen in Paris, in Rom, in Venedig und in Madrid und das, obwohl er beruflich so eingespannt war. Nicht alle Väter tun das für ihre Kinder, ich kann mich wirklich nicht beschweren. "
    Über ihre Adoptivmutter sagte sie wiederum nur, dass sie überfordert gewesen sei. "Sie war ja nicht mehr jung. Die Strapazen der späten Geburt und die Sorge um zwei Kinder waren zu viel für sie. Oder hatte sie etwa noch andere Gründe, mich fernzuhalten?"
    Die letzte Frage kam völlig unvermittelt und in einem scharfen Ton, der so gar nicht zu dem bisherigen sanften Gesäusel passte. Fast wäre ihr der Überraschungseffekt geglückt und sie hätte mich aus dem Konzept gebracht. Ich konnte mich gerade noch fangen. "Vermutest du das? Dann sollten wir in der nächsten Stunde darüber reden. Für heute ist unsere Zeit leider um." Ich versuchte ein verbindliches Lächeln.
    Melissa erwiderte mein Lächeln nicht, sondern bedachte mich mit einem bohrenden Blick aus ihren unergründlichen, dunklen Augen. Entweder ahnte sie nur, dass ich mehr wusste, oder aber sie kannte die Hintergründe und spielte ein Spiel mit mir. Ich fühlte mich plötzlich unwohl in meiner Haut. Dieses ungute Gefühl hielt den restlichen Tag über an. Nachdem ich den letzten Patienten verabschiedet hatte, holte ich das Portrait wieder hervor und betrachtete es eingehend. Es war ein ausgezeichnetes Bild, aber irgend etwas daran beunruhigte mich, das wurde mir erst jetzt richtig bewusst. Ich lehnte es gegen die Wand und sah es mir aus einem größeren Abstand heraus an.

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