Eine tödliche Erinnerung (German Edition)
Sammlung. Diese massiven Glaskugeln waren sehr schwer und ideale Wurfgeschosse. Meine Fähigkeiten im Kugelstoßen und Weitwurf waren leider immer mäßig gewesen. Ich zielte auf das untere Fenster des nur knapp 20 Meter entfernten Nachbarhauses und betete, dass ich treffen und dabei niemanden verletzen würde. Glas splitterte, nebenan ging das Licht an, laute Flüche ertönten und ich schrie mit aller Kraft um Hilfe. Dann ging alles ganz schnell.
Nur mit Boxershorts bekleidet stürzte der Nachbar aus dem Haus, er hatte in Windeseile eine Leiter zur Hand und lehnte sie an meinen Balkon. Oben angekommen, streckte er die Hände nach mir aus und ich reichte ihm Brutus über die Brüstung. "Na klar, zuerst der Köter, auch wenn der eigene Hintern schon schmort", knurrte er, aber er nahm ihn mir ab. Danach schwang ich mich ebenfalls auf die Leiter und kletterte hinab. Im Garten und vor dem Haus hatten sich inzwischen mehrere Menschen versammelt und dann hörte ich auch schon das Martinshorn der Feuerwehr. Mehrere Löschzüge bezogen vor dem Haus Position, Kommandos ertönten und Schläuche wurden entrollt. Wasser traf auf Feuer und beißender Qualm verpestete die Luft. Die Nachbarin zog mich eilig zu sich ins Haus. "Sie holen sich noch eine Rauchvergiftung, bleiben Sie hier, da draußen stehen sie nur im Wege."
Die Löscharbeiten dauerten bis zum Morgen an, dann zog die Feuerwehr ab und ließ nur eine Brandwache zurück. Das Haus bot einen traurigen Anblick, der Dachstuhl war teilweise eingestürzt und verkohlte Balken ragten gespenstisch in die Luft. Rund um das Haus war ein Absperrband gezogen worden, die Polizei würde noch genauer ermitteln, doch bereits zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass Brandstiftung vorlag.
Unvermittelt tauchte Gernot Schlüter neben mir auf. Er wirkte völlig übernächtigt, doch ich bot vermutlich keinen besseren Anblick. Zumindest hatte mir die freundliche Nachbarin eine Jeans und ein T-Shirt ihrer Tochter borgen können, ich war ja nur mit meinem Nachtshirt bekleidet aus dem Haus geflüchtet. Gernot bot an, mich bei sich zu Hause unterzubringen, doch ich lehnte dankend ab. Ich wollte nur auf dem schnellsten Wege in die Praxis und er fuhr mich bereitwillig hin. Brutus konnte ich einstweilen bei den Nachbarn lassen.
In der Praxis angekommen, telefonierte ich eine halbe Stunde und sagte sämtliche Termine für die laufende Woche ab. Dann ließ ich mich völlig erschöpft auf meine Liege fallen und war schon eingeschlafen, bevor ich die Schuhe richtig abgestreift hatte. Ich schlief tief und fest bis in den Nachmittag hinein.
43.
Ein Klingeln und lautes Klopfen an der Tür weckten mich schließlich. Draußen stand Tobias."Da bist du ja, wie geht es dir?", waren seine ersten Worte. Nachdem er mich auf dem Handy nicht erreicht hatte, war er schließlich zu meiner Wohnung gefahren und hatte erschüttert vor der Brandruine gestanden. Die Nachbarn hatten ihm erklärt, dass ich in die Praxis gefahren sei. Er wollte wissen, was passiert war, doch über die genauen Umstände des Brandes konnte ich ihm wenig sagen. Erst jetzt wurde mir meine Lage so richtig bewusst. Ich war ohne alles aus dem Haus geflohen, mein Handy und all meine Papiere waren weg, ich hatte nichts Anzuziehen und keinen Cent etwas zu kaufen. Auf einmal war mir zum Heulen zumute.
Tobias lief erst einmal zum Bäcker und holte Brötchen. Während ich duschte, kochte er Kaffee und deckte den Tisch. Ich überlegte mir, dass ich vorübergehend in der Praxis wohnen könnte. Zum Glück war sie komplett ausgestattet, ich hatte hier ein komfortables Bad, eine Küche und eine Liege in meinem Zimmer, mehr brauchte ich nicht. Auf mich kamen jetzt eine Menge Unannehmlichkeiten zu, ich musste Frau Lehmann benachrichtigen, neue Papiere beantragen und mir vor allem das Nötigste zum Anziehen besorgen. Die geborgte Jeans war mir im Bund zu weit und an den Beinen zu kurz.
"Wo fangen wir an?", fragte Tobias und ich schlug vor, erst einmal zum Haus zu fahren. Bereits am Anfang der Straße empfing uns ein penetranter Brandgeruch. Neben der Brandwache war auch die Kripo wieder vor Ort, Gernot Schlüter begrüßte mich persönlich. Er wirkte deutlich frischer als in der Nacht, offenbar hatte auch er zwischenzeitlich die Möglichkeit gehabt, ein paar Stunden zu schlafen. "Gut dass du kommst", sagte er, "ich habe nämlich einige Fragen an dich. Vor allem möchte ich wissen, ob du gestern etwas Verdächtiges bemerkt hast."
Ich konnte diese Frage nur
Weitere Kostenlose Bücher