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Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Titel: Eine tödliche Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Limar
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hätte am Tisch einschlafen können.
    "Entschuldige", sagte ich zu Tobias, "ich bin furchtbar müde, könnten wir vielleicht gehen?"
    Er fasst nach meiner Hand. "Du bist ja eiskalt", meinte er erschrocken.
    "Es war alles ein bisschen viel", versuchte ich möglichst gelassen zu erklären. "Ich glaube, der Schock wirkt sich jetzt erst richtig aus."
    Tobias brachte mich zu meinem vorläufigen Domizil und verabschiedete sich sehr zärtlich. Er bedauerte, nicht mit raufkommen zu dürfen, hatte ich diese Möglichkeit doch kategorisch ausgeschlossen. Ich war froh, diese Barriere zwischen uns zu haben. Ich brauchte dringend Zeit zum Nachdenken.

45.
    Gleich ganz früh am nächsten Morgen rief Melissa an und klang ziemlich aufgeregt. Sie würde gern vorbeikommen und mit mir reden. Wir hatten momentan keine festen Termine miteinander, doch das Angebot, sich bei Bedarf zu melden, bestand natürlich weiterhin. Nun machte sie davon Gebrauch.
    Sie tauchte so kurz nach ihrem Anruf bei mir auf, dass ich annehmen musste, sie habe den Weg zur Praxis im Laufschritt zurückgelegt. Ihr Gesicht war gerötet und sie atmete schnell. Ich hatte angenommen, sie würde auf den Brand zu sprechen kommen, aber sie hielt sich nicht lange mit der Vorrede auf. "Du hast doch anonyme Drohbriefe erhalten, bevor es bei dir brannte?", fragte sie. Ich stutzte, denn davon hatte ich ihr nichts erzählt.
    "Johannes hat es mir gesagt", setzte sie erklärend hinzu. "Er meinte, das sei eine neue Spur, die mich entlasten würde. Aber jetzt habe ich auch so ein Schreiben erhalten." Sie schob ein doppelt gefaltetes, weißes A4 Blatt zu mir über den Tisch. Ich nahm es nicht, sondern holte statt dessen eine Klarsichthülle aus meinem Schreibtisch.
    "Mach es auf und steck es hier rein", sagte ich. "Vermutlich werden keine Fingerabdrücke außer deinen darauf sein, doch wir müssen dem nicht unbedingt noch weitere hinzufügen."
    Melissa gehorchte und ich konnte mir die Nachricht nun in Ruhe ansehen. Sie hatte nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit den Kritzeleien, die mir zugegangen waren. Auf dem oberen Teil eines blütenweißen Zeichenblattes befand sich die akkurat und detailliert ausgeführte Zeichnung eines Turms. Darunter stand in sauber ausgeschnittenen Lettern:
    ERINNERE DICH, SONST WIRST DU STERBEN
    Das Ganze erinnerte eher an ein künstlerisch gestaltetes Plakat als an einen Drohbrief.
    Es stellte sich heraus, dass es nicht die Todesdrohung war, die Melissa in solche Aufregung versetzt hatte, sondern die Zeichnung. "Das ist der richtige Turm", betonte sie immer wieder, "der Turm, den ich in meinen Alpträumen sehe. Ich bin mir ganz sicher. Dieser andere Turm, den ihr fotografiert habt, ist zwar unheimlich, doch es ist nicht der Turm vor dem ich mich fürchte."
    Diese Vermutung hatte ich allerdings auch schon gehabt. Der sogenannte Hexenturm war sehr massiv, hatte keine Fenster und ein geschlossenes Dach. Wie sollte jemand von dort hinab stürzen? Der Unfall mit Melissas Bruder musste sich also woanders ereignet haben. Der Turm auf der Zeichnung erschien mir dafür durchaus geeignet. Er hatte oben eine Plattform und wirkte ziemlich verfallen. Sicher übte er ein große und gefährliche Anziehungskraft auf neugierige Kinder aus.
    "Als ich die Zeichnung dieses Turmes gesehen habe", fuhr Melissa fort, "da habe ich eine Panikattacke bekommen, so heftig wie schon lange nicht mehr. Ich zittere immer noch. Was hat das alles zu bedeuten? Wer das gezeichnet hat, muss wissen, was damals in dem Turm passiert ist. Aber warum droht er mir? Ich habe ja selbst den Wunsch, mich erinnern zu können, doch für wen außer mir sind meine Erinnerungen derart wichtig?"
    Ich konnte ihr diese Fragen, die mich ebenfalls bewegten, nicht beantworten. Zum Glück bestand Melissa nicht auf einer Hypnose, da sie vor dieser letzten, entscheidenden Erinnerung offenbar zurückschreckte. Sie spürte intuitiv, dass sie noch nicht bereit war, sich ihr zu stellen. Ich beschloss, stattdessen etwas gegen ihren momentanen Erregungszustand zu unternehmen. "Wollen wir einen schönen, entspannenden Strandspaziergang unternehmen?", fragte ich sie deshalb und sie stimmte erleichtert zu. Diesmal dauerte es länger als sonst, Melissa in Transce zu versetzen. Auch meine beruhigenden Suggestionen schienen langsamer zu wirken. Ich ließ sie am Strand entlanggehen, der Brandung lauschen und die Möwen beobachten. Doch immer noch war eine gewisse Unruhe bei ihr spürbar. Ich suchte nach weiteren Ablenkungen

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