Eine Trillion Euro
wir am Hinterende des Containers angekommen waren, »haben wir unser Produkt!«
Aus einer Klappe fielen scheppernd die Eimer auf eine Rutschbahn und rollten herunter, in die Arme zweier Kerle, die mit ihren Blaumännern und Käppis wie Fabrikarbeiter aussahen. Sie stapelten die Eimer geübt zu glitzernden Türmen. Einer davon wurde vom Wind umgeblasen und rasselte zu Boden. Sofort sprang ein dritter Fabrikarbeiter herbei und brachte die Sache in Ordnung.
»Nehmen Sie sich ruhig einen«, rief Eberhard. »Jeder nimmt einen als Andenken. Kostet nichts, verpflichtet zu nichts. Das ist Qualität! Damit kann man arbeiten! Auch in Afrika!«
Natürlich habe ich einen genommen. Und einen Deckel. Unterschrieben habe ich auch gleich. 2 Millionen.
»Hahaha«, lachte Rüdiger. »Du Arschloch! 2 Millionen in den Sand gesetzt! Die sind weg!«
»Das werden wir ja sehen. Zahl du mir erst mal zurück, was du von mir geliehen hast!«
Rüdiger lachte nur. Ich schmiss ihn raus.
Alles sah ganz wunderbar aus. Es gab E-Mails, Broschüren und sogar Videocassetten zu den Fortschritten des holistic engineering. Aktien natürlich auch. Ich zeichnete Aktien für noch einmal 1 Million. Rüdiger und ich, wir kifften uns zu und guckten uns einen der Filme an. Rüdiger musste so lachen, dass er mich ansteckte.
»So ein Quark! Das glaubt doch keiner! Guck dir mal die Schwuchtel da an, wie die das Blech in der Hand hält! Schauspieler! Schiebung!«
Er fiel fast vom Stuhl vor Lachen. Ich auch.
Und dann kam nix mehr. Gar nix. Keine E-Mails, keine Broschüren, keine Videos mehr. Die Portatech hatte groß angekündigt, die erste Eröffnung einer Containerfabrik ›weltweit‹ im Internet live zu übertragen, stattdessen gab’s die Website www.portatech.co.uk zum angekündigten Termin überhaupt nicht mehr. Hahaha, selten so gelacht. Eigentlich war mir zu diesem Zeitpunkt klar, dass Rüdiger Recht gehabt hatte und dass das Geld weg war. Alles. 3 Millionen. Ratzeputz. Aber irgendwie wollte ich es nicht glauben. Der Eimer stand doch in meinem Abstellraum, mitten unter dem anderen Gerümpel. Und er war doch aus der Containerfabrik herausgerollt, ich hatte es doch mit eigenen Augen gesehen! Seltsamerweise machte sich Rüdiger zu dem Zeitpunkt sehr rar, als die Portatech offline ging. Keine blöden Bemerkungen auf meinem Anrufbeantworter, keine Selbsteinladungen zum Bier, keine Schnorrereien. Ich wunderte mich schon. Andererseits war es mir auch recht. Wenn er mir zum Beispiel an dem Abend, als ich die Website nicht mehr finden konnte, mit irgendeinem Marx-Zitat gekommen wäre, ich hätte ihm vielleicht in die Fresse gehauen. So ganz unter Freunden.
Was sollte ich tun? Ich hatte keine Ahnung. Ich las mir alles noch einmal durch, und verdrängte die Wahrheit: alles Kacke. Die pompöse Mail mit der Ankündigung der Einweihungsfeier faselte irgendetwas davon, dass sie in Lagos, Nigeria stattfinden sollte. Das Auswärtige Amt hatte seine Internet-Adresse noch. Die Auskünfte waren eigentlich ziemlich klar: Kriminalität extrem, Schwierigkeiten mit der Benzinversorgung, Unruhen ab und zu auch in Lagos selber, mit effektiver Hilfe der nigerianischen Polizei können Sie nicht rechnen. Man hätte auch einfacherweise hinschreiben können: Fahr nicht hin. Ich flog nach Lagos. Ich wollte mein Geld zurück.
Schon am Flughafen wurde mir sofort klar, dass ich einen krassen Fehler gemacht hatte. Überall Neger. Das klingt wahrscheinlich total blöd, aber ich hatte nicht mit so vielen Negern gerechnet. Und ein Gewusel wie in einem Ameisenhaufen. Laut, dreckig, stinkig. Ich charterte am Flughafen einen Taxifahrer, der mich nicht entführen oder umbringen wollte. Wie ich bei meiner Rückkehr erfahren habe, war das das reine Anfängerglück. Lagos kann ich nicht beschreiben. Schon bei der Fahrt in die Stadt mussten wir mehreren liegen gebliebenen Autos ausweichen, die man in dem unglaublich dicken Smog nur erahnen konnte. Unvorstellbar. Einmal krachte es gleich hinter uns, ein anderer Fahrer war nicht so auf Zack gewesen wie meiner. »Ich will, dass Sie Lagos überleben!«, schrie mein Fahrer lachend. Ich auch, dachte ich und krallte mich in dem zerrupften Polster meines Sitzes fest. Wir kurvten endlos in Lagos herum. Staus, Unfälle, Polizei, ein Albtraum. Ich weiß nicht, woraus Termiten ihre Bauten machen, aber Lagos kam mir vor wie ein Termitenhaufen aus Scheiße.
Der Hafen – da blieb mir die Spucke weg. Das war die Mülldeponie des Termiten-Scheißhaufens.
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