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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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neuen Artikel schreiben. Abgabetermin Donnerstagnachmittag.
    Ich drückte mehrere Tasten auf der Konsole des Modems, das die Verbindung mit dem Internet herstellte. Im elektronischen Index wählte ich den Zufallsgenerator aus, der anfing, passende Überschriften für meine Geschichte zu erstellen.
    Mittwochmorgen.
    Ich ging ins Internet. Drei Millionen Terabyte, die von zwölf auf der Erde stationierten Sendern auf drei Kontinenten ins All geschleudert wurden, Realtime-Informationen, die das Weltraum-Hotel der Firma Shimizu betrafen. Ferien für Geldsäcke, schwereloser Sex, unglaubliche Erfahrungen im Erdenlicht-Saal mit Geishas und MDMA in Gigado-sen. Ziemlich viel Material aus dem neuesten e-Magazin, das gestern erschienen war. Jeden Tag waren Hunderte von Magazinen in Umlauf. Informationen über weltweite Mangelzustände an den Transplantatbanken …
    Die Speicher meines Terminals waren übergelaufen. Irgendwann würde ich mal aufräumen müssen, alles Überflüssige löschen und nur das Notwendige behalten. Irgendwann mal.
    Ich drückte mehrere Tasten. Den Titel meines Artikels hatte ich schon ausgesucht: ›Kamasutra und Crowley’sche magische Sexpraktiken im Weltraum-Hilton‹. Der Artikel würde in zehn Minuten fertig sein. Noch ein wenig Feinschliff, und ich könnte mich auf die Suche nach Käufern machen. Mit einem guten Suchprogramm konnte man innerhalb eines Tages bis zu drei Interessenten finden. Potenzielle Käufer, die ziemlich viel für einen guten Artikel zahlten. Kostbare Euro, die auf dem Minidrucker zu gestärkten, druckfrischen Tausender-Scheinen wurden. Genug für die wöchentlichen Ausgaben. Nächste Woche die gleiche Arbeit. Das tägliche Brot.
    Ich war ein Journalist der besonderen Art, spezialisiert auf die verborgenen Seiten von Weltraumflügen. Ein Job mit fiktiver Vergangenheit, ungewisser Gegenwart und null Zukunft. Auf Kanal ANT-2 hieß es, dass nächstes Jahr Programme herauskommen würden, die nach und nach die Arbeit der Spezial-Journalisten zu niedrigeren Kosten übernehmen würden. Sündhaft teuer, aber innerhalb von zwei Jahren könnte sich ihre Qualität so weit verbessern, dass sie die Journalisten ersetzen würden.
    Vielleicht auch die Leser-Nutzer.
    Donnerstagnachmittag.
    Unerwartet schneller Erfolg bei der Kundensuche. Vier Käufer innerhalb der ersten halben Stunde. Der Minidrucker fing an zu brummen und gab metallische Rülpser von sich. Die Geldscheine waren innerhalb weniger Minuten gedruckt. Als ich sie aufsammelte, knisterten die metallenen Nerven in meiner Hand.
    Als ich Anfang des Jahrhunderts anfing, freiberuflich zu arbeiten, war ich ein einfacher Journalist mit einem einfachen Computer, der an ein einfaches ISDN-Netz angeschlossen war. Ich erledigte meine Arbeit allein. Je mehr Fortschritte die Technik machte, desto höher wurden die Anforderungen an die Redakteure, desto mehr nahm die Masse an Informationen zu und desto spezieller wurde die Thematik. Die Informatik entwickelte sich immer schneller, bis sie völlig außer Kontrolle geriet; sie wurde zu einer Flutwelle, die alles mit sich fortriss. Sie überschwemmte Erde und Weltraum.
    Zehn Computer und dreißig Jahre später war ich immer noch Journalist, aber die ganze Arbeit wurde von den Programmen erledigt, mit denen ich ins Internet ging.
    Mein erster Computer, ein uralter PC mit kaputtem LCD-Farbmonitor, stand in einer Ecke, verborgen unter einer Staubschicht und zerknülltem, vergilbtem Druckerpapier. In manchen Nächten hatte ich den Eindruck, dass auf seinem Bildschirm himmelblaue Buchstaben funkelten.
    Die ersten Jahre in meinem Beruf waren ganz amüsant. Dann musste ich immer mehr arbeiten und dabei Informationen archivieren, die schon veraltet waren, kaum dass man sie in die Datenbank eingegeben hatte. Später reichten nicht einmal mehr die Programme zur automatischen Archivierung aus. Ich warf alles hin, und das war die richtige Entscheidung. In Form von Mikrowellen, Radiowellen und Signalen flogen die Daten zur Erde, in die Luft, ins Meer und durchquerten interkontinentale optische Fasern mit Lichtgeschwindigkeit. Man konnte nicht einmal ein Milliardstel der täglichen Datenproduktion des Planeten archivieren. Auf Kanal 76 hieß es gestern, dass sich der Rhythmus der Datenproduktion im Internet jedes Jahr verdreifachte. Wohin verschwinden wohl die ungeordneten Daten – in der Vorhölle der Verlorenen?
    Nach der Informationsexplosion fand dann auch die ökologische Explosion statt. Innerhalb von

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