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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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zurück, setzte mich auf und sah Steff an. Sie hatte mich bisher noch nie mit in eine faule Sache gezogen.
    »Du sprichst von … Euros, oder?«
    Sie nickte. Wilde Locken tanzten vor ihren etwas vorstehenden Augen.
    »Aber der Euro ist doch absolut nichts mehr wert.«
    Steff antwortete mit dieser Lippenbewegung, von der ich nie wusste, ob sie ein Lächeln oder eine Grimasse sein sollte, und blickte sich flüchtig um.
    »Irrtum, Pibe. Bis zum 31. Juli kann man Euros noch gegen Rivals oder Dollüans eintauschen.«
    »Bei der Bank? Du spinnst ja! Die lassen uns doch gar nicht erst rein!«
    »Ich kenne einen Hehler. Wir machen Halbe-Halbe.«
    »Scheiße. Scheint ein ziemlicher Halsabschneider zu sein!«
    »Entweder oder, Pibe.«
    Die Gänsehaut auf meinem Rücken verriet, dass ich ihren Vorschlag längst angenommen hatte. Aber ich wollte noch ein bisschen verhandeln, mich absichern. Ein lautes Schnarchen in unmittelbarer Nähe übertönte den Chor pfeifend schnaufender Schläfer.
    »Und es ist wirklich nicht gefährlich?«
    »Ein Kinderspiel, Pibe.«
    »Wie bist du daraufgekommen?«
    Sie rümpfte die Nase. Für einen Sekundenbruchteil sah sie aus wie die alte Frau, die sie vermutlich nie sein würde.
    »Ich habe da meine Quellen.«
    Ich tat, als würde ich noch einmal über alles nachdenken. Schließlich sprach ich den schicksalhaften Satz aus.
    »Und wann?«
    Sie rückte ganz nah an mich heran. Ihr verwirrender, starker Duft hüllte mich ein. Flüchtig lüpfte sie eine Ecke ihrer Lederjacke. Aus dem Hosenbund ragte ein ramponierter Pistolenkolben, der sich in die Falten ihres Bauches drückte.
    »Jetzt gleich, Pibe.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. Nachts waren die Risiken zehn, hundert, tausend Mal so hoch. Menschenfleischhändler, Straßenbanden und die Brigaden des PJ, des Permanenten Jihad, teilten sich die nicht bewachten Stadtviertel. Dem Leben eines Zonenlosen maßen sie – abgesehen von seinen Organen, die an reiche Zonenbewohner in ihren befestigten und bewachten Vierteln weiterverkauft wurden – nicht den geringsten Wert bei. Oft töteten sie ihre Opfer nicht einmal, bevor sie ihnen Augen, Leber, Lunge, Nieren oder Hoden herausschnitten oder Arme und Beine abhackten. Beinahe hätte ich einen Rückzieher gemacht, aber die Sorge, sie zu enttäuschen, war schließlich doch stärker als meine Angst. Also streifte ich meinen Overall über und stand auf. Meine Decke rollte ich auf dem Stück Pappe zusammen, das mir als Matratze diente.
    Zwischen schlafenden Körpern hindurch schlängelten wir uns zum Ausgang des ehemaligen Ostbahnhofs. Der Wachmann an der kleinen Seitentür deutete mit dem Lauf seiner Knarre in die von Atemzügen durchdrungene Finsternis.
    »Wollt ihr wirklich raus?«
    Steff blickte ihn nur herausfordernd an und trat entschlossenen Schrittes auf den leeren Vorplatz hinaus.
    Auf dem Weg über einen namenlosen, von Kratern zerfressenen Boulevard überraschte uns ein Schauer. Wir waren gezwungen, uns in eines der zerstörten Häuser zu flüchten und unter einem halb eingestürzten Dach Schutz zu suchen. Eine Stunde lang schüttete es und donnerte es wie ein Weltuntergang. Steff drängte sich in der Enge dicht an mich heran – zumindest bildete ich mir das ein. Ich wäre am liebsten bis zum Morgen in ihrer Nähe geblieben.
    Ich kannte sie seit zwei Monaten, was für Zonenlose eine recht lange Zeitspanne ist, begann aber erst jetzt, das Mädchen in ihr zu sehen. Sie wies keine der Hautkrankheiten auf, wie sie durch die neuartigen Viren übertragen werden; ich glaube, das kann man als Kriterium für Schönheit gelten lassen. Kennen gelernt hatten wir uns dank einer ordentlichen Kopfnuss: Eines Abends war ich auf allen vieren zu meinem Schlafkarton gekrochen und mit meiner Stirn so hart gegen ihre geknallt, dass sie eine Platzwunde über der Augenbraue davontrug.
    »Der Typ ist steinalt«, flüsterte sie. »Er hat keine Leibwache. Wenn er den Zaster nicht rausrückt, polieren wir ihm die Fresse.« Ich nahm an, sie redete, um ihre Angst zu verbergen. Dabei knipste sie eine Taschenlampe an, die sie weiß Gott woher haben mochte. Der trübe Strahl spazierte über ihre halb offen stehende Jacke, streifte ein Stück Haut und den rostigen Lauf ihrer Knarre. Was hätte ich darum gegeben, an der Stelle der Waffe zu sein!
    »Eine Trillion! Das lohnt sich wenigstens!«
    Ich nickte, obwohl ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie viel eine Trillion war. Ein ehemaliger Lehrer namens

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