Eine unbeliebte Frau
ins Gesicht gesagt hätte, was Kampmann in Wirklichkeit mit ihren Pferden macht – oder besser gesagt nicht macht -, dann hätten sie es nicht einmal geglaubt. Sie wollen es einfach nicht sehen.«
Thordis schüttelte verächtlich den Kopf. Draußen rollten zwei weitere Autos mit Pferdeanhängern auf den Hof, gefolgt von einem großen Pferdetransporter. Leute betraten den Stall.
»Wir ziehen aus«, teilte ein Mädchen Thordis im Vorbeigehen schluchzend mit. »Mein Vater platzt vor Wut!«
»Anscheinend haben es einige Leute jetzt doch verstanden«, sagte Bodenstein trocken.
»Man soll ja nicht schadenfroh sein«, entgegnete Thordis,»aber ich bin's doch irgendwie. Was haben die alle von Kampmann geschwärmt, dabei hat er sie allesamt nur eiskalt abgezockt.«
»Mir scheint, er ist ziemlich in der Bredouille«, bemerkte Bodenstein.
»Geschieht ihm ganz recht«, Thordis' Stimme klang verächtlich, »das ging schon viel zu lange gut.«
»Ich habe mich wohl in Kampmann getäuscht«, gab Bodenstein zu und blickte nachdenklich durch das Stallfenster zum Wohnhaus hinüber. »Ich hatte den Eindruck, er sei nicht besonders intelligent.«
»Ist er auch nicht«, Thordis führte das Pferd in die Box, »er ist nur neidisch auf jeden, der in seinen Augen mehr besitzt als er selbst. Sein Götze ist das Geld, und dafür tut er alles.«
Ein weiteres Auto kam und fuhr direkt bis vor das Wohnhaus. Bodenstein erkannte Marianne Jagoda, die sich aus ihrem Cayenne wuchtete und mit energischen Schritten zu Kampmanns Haustür ging, vor der die Herren Marquardt, Neumeyer und Payden bereits heftig und lautstark mit dem Reitlehrer diskutierten.
»Schade«, sagte Bodenstein und warf einen Blick auf seine Uhr, »ich muss noch einmal aufs Kommissariat. Ich würde gerne wissen, wie das hier ausgeht.«
»Ich bleibe noch hier und erstatte Ihnen dann Bericht«, versprach Thordis.
Freitag, 9. September 2005
»Hier ist das Vernehmungsprotokoll von Philipp Döring«, Pia betrat Bodensteins Büro und legte ihm ein paar Blätter auf den Schreibtisch.
»Danke«, er warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, »glauben Sie die Geschichte, die Döring junior uns erzählt hat?«
»Hundertprozentig«, Pia setzte sich auf einen der Besucherstühle. »Er hatte die Hose viel zu voll, um uns anzulügen. Und er hatte auch keinen Grund, um zu lügen.«
Bodenstein blätterte in dem Protokoll, suchte nach einer bestimmten Stelle und las sie nochmals durch.
»Er hatte Isabel durch seinen Vater kennengelernt«, murmelte er. »Sie hat sich in ihn verliebt, bis sie gemerkt hat, dass er gar nicht auf Frauen steht. Aber trotzdem schmiedeten sie gemeinsame Zukunftspläne und wollten sogar heiraten. Was soll das?«
»Vielleicht haben sie sich einfach gut verstanden«, mutmaßte Pia. »Er hat Geld wie Heu, kann ihr das Leben bieten, von dem sie immer geträumt hat, und will dafür aber keine großartige Gegenleistung.«
»Ja, schon klar«, Bodenstein rieb sich die Augen, »aber was für einen Vorteil hätte er denn davon gehabt? Das verstehe ich nicht.«
»Schon eigenartig«, überlegte Pia laut, »obwohl er wusste,dass sie mit wildfremden Männern in die Kiste sprang und sich dabei filmen ließ, wollte er sie heiraten.«
Das Telefon auf Bodensteins Schreibtisch klingelte.
»Wir fahren gleich nach Weiterstadt. Ich will noch mal mit Jagoda sprechen«, sagte er zu Pia, bevor er den Hörer abnahm.
Sie nickte und verließ das Büro. Am Telefon war Cosima mit guten und schlechten Neuigkeiten.
»Ich bin im Krankenhaus«, verkündete sie, »ich habe mir gestern den Knöchel gebrochen.«
»O Gott! Was ist denn passiert?« Bodenstein ahnte Schlimmes. Cosima begann grundsätzlich mit den Kleinigkeiten.
»Wir waren auf dem Weg durch ziemlich schlechtes Gelände«, berichtete sie, »unser Führer meinte, es wäre eine Abkürzung, aber leider hatte es durch die starken Regenfälle einen Erdrutsch gegeben. Glücklicherweise war unsere ganze Ausrüstung in den beiden anderen Jeeps, weil der, in dem ich saß, jetzt in einer Schlucht ein paar hundert Meter tiefer liegt.«
Bodenstein schloss die Augen. Allein die Vorstellung, wie knapp Cosima Tod oder Verstümmelung entronnen war, verursachte ihm Herzschmerzen. Diese Expeditionen mussten aufhören!
»Es ist aber keiner großartig zu Schaden gekommen, außer mir«, sie lachte. »Ich kam nicht ganz so schnell aus der Kiste raus wie die anderen. – Bist du noch dran, Olli?«
»Mir hat's die Sprache verschlagen«, gab er zu.
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