Eine unbeliebte Frau
gleichzeitig den Stein losgetreten, der ihr ganzes Leben wie ein Erdrutsch vernichtet hatte.
»Noch eine Frage«, sagte Bodenstein. »War Ihre Frau den ganzen Samstagabend zu Hause, als Sie Gäste hatten?«
»Ja. Sie war zwar nicht die ganze Zeit dabei, weil sie sich nicht besonders für geschäftliche Themen interessiert, aber sie .«, er brach ab und blickte auf.
»Ja?«, fragten Bodenstein und Pia gleichzeitig.
»Sie kam zu spät«, sagte Jagoda langsam. »Es ist mir nicht aufgefallen, weil ich viel dringender auf Isabel gewartet hatte, aber jetzt weiß ich es wieder. Marianne kam erst dazu, als wir unten in der Bar waren.«
Bodenstein war es gelungen, Haftbefehle für Robert Kampmann und Marianne Jagoda zu bekommen, aber Frau Jagoda war nicht zu Hause. Auch ihr Geländewagen stand nicht in der Garage, und die Haushälterin sagte, sie habe das letzte Mal am Vortag mit ihrer Chefin gesprochen. Seitdem war ihr Handy abgeschaltet.
»Wir fahren nach Gut Waldhof und verhaften Kampmann«, beschloss Bodenstein. »Vielleicht weiß er etwas über die Jagoda. Gestern Nachmittag habe ich sie nämlich gesehen, wie sie in Kampmanns Haus marschiert ist.«
»Wahrscheinlich hat sie sich längst abgesetzt«, befürchtete Pia. »Dazu ist sie nicht der Typ«, Bodenstein schüttelte den Kopf, »außerdem ist da noch ihr Sohn im Internat.«
Vor dem Wohnhaus der Kampmanns parkte der luxuriöse silberne Geländewagen, an den ein Pferdeanhänger angehängt war. Bodenstein und Pia warfen im Vorbeigehen einen Blick hinein und sahen statt eines Pferdes hastig übereinandergestapelte Umzugskartons. In diesem Augenblick kam Kampmann mit einer weiteren Kiste aus der geöffneten Haustür. Er wurde kreidebleich und starrte die beiden Kriminalbeamten mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Angst an.
»Hallo, Herr Kampmann«, sagte Bodenstein. »Was geht denn hier vor? Ziehen Sie aus?«
»Ich ... äh ...«, die Augen des Mannes huschten nervös hin und her, »nein ... wir räumen das Büro um.«
»Wo sind Ihre Frau und Ihre Kinder?«, fragte Pia.
»Zu meinen Schwiegereltern gefahren«, erwiderte Kampmann. »Wir sind . sie sind .«
»Herr Kampmann«, unterbrach Bodenstein ihn, »wie haben Sie eigentlich darauf reagiert, als Isabel Ihnen mitteilte, dass sie Philipp Döring heiraten und mit ihm nach Argentinien gehen würde?«
Mit einem Krach landete die schwere Kiste auf dem Boden, und Kampmann starrte Bodenstein wie versteinert an.
»Es ist doch so, dass Sie eine ganze Weile in dem Glauben waren, Isabel würde mit Ihnen gemeinsam von hier weggehen wollen, oder? Ganz plötzlich änderte sie ihre Pläne zugunsten eines anderen Mannes. Das muss Sie sehr gekränkt haben.«
»Was haben Sie wirklich am Abend des 27. August getan?«, fragte Pia. Für eine Sekunde machte es den Eindruck, als ob Kampmann ohnmächtig werden wollte. Seine Augen flogen hin und her, sein Adamsapfel bewegte sich hektisch auf und ab.
Eine Frau mittleren Alters kam mit ihrem Pferd auf den Hof geritten und winkte Kampmann freundlich zu, aber dieser reagierte darauf gar nicht. Die Frau saß ab und führteihr Pferd zum Wasserschlauch, um dem Tier die Hufe abzuspritzen.
Völlig unvermittelt versetzte Kampmann Pia einen heftigen Stoß, worauf diese unsanft gegen ihren Chef prallte. Alle beide gingen zu Boden, und Bodensteins Rücken machte innerhalb von vierundzwanzig Stunden ein zweites Mal schmerzhafte Bekanntschaft mit der harten Realität des Erdbodens. Aus den Augenwinkeln sah er Kampmann, der erstaunlich flink über den Hof rannte, der rundlichen Frau die Zügel ihres Pferdes aus der Hand riss und mit einem geschmeidigen Satz im Sattel saß. Der Frau hatte es die Sprache verschlagen. Sie stand mit offenem Mund da, den Wasserschlauch in der Hand, und starrte ihrem Pferd nach, das Kampmann auf dem Hof schon angaloppieren ließ. Pia rannte mit einem wütenden Fluch los. Bodenstein gelangte mit einem Stöhnen mühsam auf alle viere, es dauerte aber beinahe eine Minute, bis er aufrecht stehen und loslaufen konnte. Er sah gerade noch, wie Kampmann im gestreckten Galopp über eine angrenzende Wiese verschwand. Pia hatte Bodensteins BMW bereits erreicht und den Motor angelassen. Sie gab Gas, kaum dass Bodenstein auf dem Beifahrersitz saß. Mit quietschenden Reifen raste sie vom Hof und bog gleich hinter dem Tor auf einen betonierten Feldweg ab. Während sie über die Erdbrocken fluchte, die Traktorreifen auf dem Weg hinterlassen hatten, forderte Bodenstein
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