Eine unbeliebte Frau
finden, und da bleibst du so lange, bis dieser Mistkerl eine Scheidung akzeptiert.«
Friedhelm Döring erwies sich als ein äußerst unterhaltsamer Erzähler. Nach zwei Stunden am Tresen des Reiterstübchens, in denen Döring fünf Pils und drei doppelte Wodka getrunken hatte, fragte sich Bodenstein, ob Anna Lena Döring ihnnicht womöglich belogen hatte. Döring machte auf ihn einen völlig normalen und beinahe sympathischen Eindruck. Er gab freimütig zu, dass ihm Isabel gefallen hatte, weil sie im Bett keine Tabus kannte, und es hatte ihn nicht gestört, dass sie außer ihm noch andere Liebhaber gehabt hatte.
»Was ist mit Ihrer Frau?«, fragte Bodenstein und bemerkte, wie sich ein wachsamer Ausdruck in Dörings Augen schlich.
»Wusste sie von Ihnen und Isabel?«
»Sie weiß, dass ich Isabel den Dom überlassen hatte«, erwiderte Döring, »aber wir haben nie darüber gesprochen. Ich liebe meine Frau. Sie hat nur eben nicht den gleichen Spaß an gewissen Dingen wie ich.«
Die Frau hinter dem Tresen brachte unaufgefordert ein frisches Pils, als Dörings Glas leer war, und Bodenstein beschloss, so lange hierzubleiben, bis sein Gesprächspartner die ersten Anzeichen von Trunkenheit zeigte. Er hatte schon Umgang mit Trinkern gehabt, und oft war er erstaunt gewesen, wie sehr Alkohol einen Menschen verändern konnte. Vielleicht gehörte auch der erfolgreiche, aalglatte Unternehmer Friedhelm Döring zu dieser Sorte.
»Was ist mit Isabels Mann? Wusste Kerstner von Ihrem Verhältnis?«, fragte Bodenstein.
»Ich glaube nicht«, erwiderte Döring. »Er war wohl damit zufrieden, dass Isabel mit dem Kind bei ihm war, wenigstens offiziell. Zwischen den beiden stimmte überhaupt nichts. Isabel hatte nichts für ihn übrig.«
»Halten Sie es für möglich, dass Kerstner seine Frau umgebracht hat?« Bodenstein stellte die Frage mit liebenswürdiger Stimme, aber er beobachtete Dörings Gesicht aufmerksam.
»Wer weiß schon, wozu Menschen in der Lage sind«, antwortete dieser nach kurzem Zögern. Eine steile Unmutsfalte erschien plötzlich zwischen seinen Augenbrauen. »Sie hat ihnschließlich schnöde sitzenlassen, und das ist für einen Mann nur schwer zu verkraften.«
Bodenstein tat so, als dachte er über die Antwort nach. Die letzte Äußerung Dörings bezog sich wohl eher auf dessen persönliche Situation. In diesem Augenblick röhrte draußen vor dem Fenster ein Sportwagen vorbei. Wenig später betrat ein blasser, schlanker Mann in schwarzer Lederjacke das Stübchen. Er wurde von allen Anwesenden übertrieben aufmerksam begrüßt.
»Wer ist das?«, erkundigte Bodenstein sich, obwohl er Hans Peter Jagoda sofort erkannt hatte.
»Der Stallbesitzer«, Döring wandte sich auf seinem Barhocker um. Jagoda steuerte direkt auf ihn zu, nachdem er die anderen Leute mit einem unverbindlichen Lächeln begrüßt hatte.
»Freddy«, Jagoda legte Döring die Hand auf die Schulter, »ich muss mit dir reden.«
Auf seinem Gesicht lag ein angespannter Ausdruck. Er schien nicht davon angetan, Döring in Gesellschaft eines Fremden zu sehen.
»Darf ich dir vorstellen«, unterbrach Döring den Mann eine Spur zu eilig, »das ist Hauptkommissar Bodenstein von der Kripo Hofheim. Herr Bodenstein, das ist Hans Peter Jagoda, Inhaber dieser schönen Reitanlage.«
Jagoda lächelte gezwungen. Neben dem vitalen und sonnengebräunten Friedhelm Döring sah er farblos aus.
»Trinkst du etwas mit uns?«, fragte Döring, der im Gegensatz zu Jagoda völlig entspannt wirkte. Bevor der Mann etwas sagen konnte, hatte er der Bedienung gewinkt und ein Pils geordert. Jagoda machte einen nervösen, geistesabwesenden Eindruck und schien nicht vorzuhaben, sich hinzusetzen. Seine Augen wanderten hin und her, und als sein Handy piepste, drehte er sich einfach um und ging hinaus, ohne sich dafür zuentschuldigen. Döring störte das nicht weiter. Einige Minuten später tauchte Jagoda wieder auf und machte Döring von der Tür her ein Zeichen.
»Bin sofort zurück«, sagte dieser zu Bodenstein und stand auf. Die beiden Männer blieben vor der Rauchglastür des Reiterstübchens stehen. Bodenstein konnte sehen, dass Jagoda erregt auf Döring einredete. Er fuchtelte mit den Armen und machte hektische Bewegungen, bevor er sich abrupt abwandte und davonmarschierte. Sein Bier hatte Jagoda unberührt stehenlassen. Döring kehrte zurück. Er ergriff das volle Bierglas und nahm einen tiefen Schluck. Zwei Frauen, die an einem Ecktisch zusammen mit anderen jungen
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