Eine unbeliebte Frau
seiner Frau nicht zu schmecken. Bodenstein bemerkte, dass Thordis ihn die ganze Zeit über nicht aus den Augen ließ. Ihre prüfenden Blicke brachten ihn auf eine eigenartige, wenn auch nicht gänzlich unangenehme Weise durcheinander. Sah er schon Gespenster aus der Vergangenheit, oder erinnerte sie ihn tatsächlich ein bisschen an Inka Hansen?
»Ich habe Isabel am Samstagnachmittag zuletzt gesehen«,sagte Thordis, als Bodenstein schon glaubte, er würde nicht mehr als unwichtige Histörchen erfahren. »Als ich aus dem Stall kam, bin ich zu McDonald's nach Schwalbach gefahren. Da habe ich sie zufällig gesehen. Sie stand auf dem Parkplatz und unterhielt sich mit einem Typen. Das heißt ...«
Sie hielt nachdenklich inne und legte den Zeigefinger an die Nasenspitze.
». eigentlich haben sie eher miteinander gestritten. Der Mann hatte sie am Oberarm gepackt. Bis ich ausgestiegen war, war er weg.«
»Was war das für ein Mann?« Bodenstein beglückwünschte sich zu seiner Entscheidung, nach Gut Waldhof zu fahren. Endlich erfuhr er etwas über die letzten Stunden in Isabel Kerstners Leben.
»Keine Ahnung, ich habe ihn nicht richtig gesehen. Das Auto war allerdings ungewöhnlich. Ein altes Mercedes Cabrio, eine Pagode. Ein 280 SL, Baujahr 1970, in Gold. Kennzeichen mit einem G vorne«, sie lächelte und fügte erklärend hinzu: »Ich habe eine Schwäche für alte Autos.«
»Um wie viel Uhr war das?«, erkundigte sich Bodenstein.
»So gegen halb vier«, Thordis blickte Bodenstein direkt in die Augen. »Isabel war total aufgekratzt. Sie fiel mir um den Hals und sagte so etwas wie ›komm mich mal besuchen, ich schick dir eine SMS‹.«
»Besuchen?«, fragte Bodenstein. »Wo denn?«
»Keine Ahnung.« Thordis zuckte die Achseln. »Isabel hat oft so einen Quatsch dahergeredet, ich hab nichts drauf gegeben.«
Bodenstein wurde bewusst, dass er die junge Frau anstarrte, und er bemühte sich um einen geschäftsmäßigen Tonfall, als er die beiden Frauen nach Isabels Bekanntenkreis fragte. Anke Schauer erzählte, Isabel habe sehr viele Bekannte gehabt. Sie habe zumindest nie Probleme gehabt, Männerkennenzulernen, eher damit, sie wieder loszuwerden. Wer ihr den Porsche bezahlt hatte, das wussten aber weder sie noch Thordis.
»Neulich hat Isabel gesagt, sie sei bald nicht mehr darauf angewiesen, sich für ein paar Kröten krummzulegen, weil sie eine Supersache eingefädelt habe, die ihr ein Luxusleben garantieren würde«, sagte Anke Schauer. »Sie hat ganz geheimnisvoll getan.«
»Aha«, Bodenstein horchte auf. »Wann war das?«
»Vor ein paar Wochen«, Anke Schauer überlegte und legte die Stirn in Falten. »Irgendwann Ende Juli. Da war sie ständig mit diesem Philipp unterwegs.«
»Philipp?«, fragte Bodenstein nach.
»So ein schmieriger Typ«, sagte Thordis, »ungefähr Anfang bis Mitte dreißig. Dunkle Gelfrisur, Anzug, Spiegelsonnenbrille.«
»Und ein fettes Auto«, ergänzte Anke Schauer. »Isabel hat behauptet, er sei ein Filmproduzent. Sie hat ihn ein paarmal mit hierher geschleppt, um die Schau zu machen.«
Bodenstein bedankte sich für die Auskünfte und reichte den beiden jungen Damen seine Visitenkarte.
»Rufen Sie mich an, falls Ihnen noch etwas einfällt, das uns weiterhelfen könnte.«
Die Dunkelhaarige nickte und steckte die Karte ein, aber Thordis betrachtete sie eingehend.
»Nur dann?«, fragte sie und hob den Kopf.
»Wie bitte?«
»Ich meine, darf ich Sie nur anrufen, wenn mir etwas über Isabel einfällt, oder auch einfach mal so?« Thordis sah ihn wieder auf eine eigentümlich herausfordernde und leicht spöttische Art und Weise an. Bodenstein starrte zurück. Inka Hansen in jung mit kurzen Haaren. Unglaublich diese Ähnlichkeit.
»Ich bin nur daran interessiert, den Fall aufzuklären«, sagte er und lächelte betont unpersönlich. »Einen schönen Abend noch.«
Er überquerte den Hof, wobei er die Blicke von Thordis in seinem Rücken zu spüren glaubte, und betrat den Stall an der Kopfseite. Auf der Stallgasse herrschte reger Trubel. Pferde waren an den Gitterstäben der Boxen angebunden und wurden geputzt, gesattelt oder abgesattelt. Auch in der hellen Sechzig-Meter-Reithalle war eine Menge los. Friedhelm Döring saß auf einem lebhaften Braunen. Mit dem geübten Auge des Pferdekenners erkannte Bodenstein, dass Döring ein guter Reiter war. Er ließ sich durch die Eskapaden seines Pferdes nicht beirren.
»Entschuldigung«, sagte jemand hinter Bodenstein. »Kann ich Ihnen
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