Eine unbeliebte Frau
der Apotheker zu. »Ich habe mich dort mit meiner Schwester getroffen.«
»Und weshalb?«, fragte Pia.
»Weshalb wohl«, mischte sich Dorothee Helfrich ein und schnaubte verächtlich, »weil sie Geld wollte. Was sonst?«
»Von Ihnen? Warum wollte sie von Ihnen Geld haben?«
Pia blickte das Ehepaar Helfrich an, das dicht nebeneinanderstand, ohne sich anzusehen. Irgendetwas an ihrem Verhalten war eigenartig.
»Sie wollte die Hälfte des Geldes vom Hausverkauf«, Dorothee Helfrich machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen die tote Schwägerin. »Dabei hat sie sich um nichts gekümmert, ja, sie hat nicht ein einziges Mal ihre Mutter besucht, die hier in Bad Soden im Pflegeheim lebt. Trotzdem war sie so unverschämt, ihren Erbteil zu verlangen.«
Pia konnte nicht sagen, weshalb, aber aus irgendeinem Grunde glaubte sie nicht, dass Geld der einzige Grund für das Treffen von Valentin Helfrich und seiner Schwester gewesen war.
»Georg Rittendorf hat meinem Kollegen erzählt, dass Isabel vor ein paar Jahren ein Verhältnis mit einem guten Freund von Ihnen hatte«, sagte sie. »Er sagte auch, dass sich der Mann in seiner Garage aufgehängt habe, nachdem Isabel ihm den Laufpass gab. Stimmt das?«
»Ja«, bestätigte Helfrich finster.
»Und dann heiratete sie Dr. Kerstner, einen weiteren engen Freund von Ihnen.«
»Auf was wollen Sie hinaus?«
»Wo waren Sie am Samstagabend zwischen 19:00 und 22:00 Uhr?«, fragte Pia, statt zu antworten.
»Wir waren mit Rittendorfs zum Essen im »Limoncello«, in Königstein.«
»Nur bis kurz vor zehn? Ziemlich früh für einen Samstagabend.«
»Rittendorfs Babysitter hatte nur bis zehn Zeit«, erwiderte Dorothee Helfrich, »sie haben zwei kleine Kinder.«
»Und Sie? Haben Sie auch Kinder?«
Ein paar Sekunden wirkte Dorothee Helfrich wie erstarrt.
»Nein«, sagte sie mühsam beherrscht.
»Kennen Sie einen Bekannten Ihrer Schwester namens Philipp?«, fragte Pia, als außer diesem »Nein« nichts mehr zu kommen schien. »Etwa Mitte dreißig, südländisches Aussehen. Im Notizbuch und im Handy Ihrer Schwester taucht niemand auf, auf den diese Beschreibung passen würde, aber man hat sie mit diesem Mann mehrfach gesehen.«
Sie bemerkte ein winziges Flackern in den Augen hinter den dicken Brillengläsern, aber Helfrichs Stimme klang unverändert ruhig.
»Meine Schwester hatte unzählige Männerbekanntschaften«, sagte er, »ich kann mich an einzelne Namen nicht erinnern.«
Pia verließ den Apotheker und seine Frau in dem sicheren Wissen, mindestens einmal von ihnen belogen worden zu sein. Sie hatte das Ehepaar gebeten, vorerst erreichbar zu bleiben, bis das Alibi vom Samstagabend überprüft worden sei. Da im Kommissariat nichts Dringliches auf sie wartete, beschloss sie, einen Umweg über Kronberg zu machen. Es konnte nichtschaden, Marianne Jagoda zu besuchen und sie zu fragen, was sie an dem betreffenden Samstagabend gemacht hatte.
Das Tor des Jagodaschen Grundstücks stand sperrangelweit offen, deshalb fuhr Pia die Auffahrt hinauf und stellte ihr Auto hinter einem Skoda mit polnischem Kennzeichen ab. In der großen Garage standen ein Maserati und ein Porsche Cayenne mit weit geöffneter Kofferraumklappe. Im Kofferraum standen mehrere prall gefüllte Einkaufstüten. Seltsam. Pia stieg aus und ging zur Haustür, die zu ihrer Überraschung offen war. Aus dem Innern des Hauses drangen Musik und gedämpfte Schreie an ihr Ohr. Pia beschlich das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht in Ordnung war. War Marianne Jagoda überfallen worden? Kämpfte sie womöglich gerade gegen brutale Einbrecher, die die wohlhabende Frau in ihre Gewalt gebracht hatten? Beunruhigt griff Pia unter ihre Jacke, zog den Revolver hervor und betrat das Haus.
»Frau Jagoda?«, rief sie und lauschte, woher die Musik kam. Pia erkannte die Scorpions, das Worldwide Live-Album mit zweihundert Dezibel. Ihr Herz klopfte wild, und ihre Hände waren feucht, als sie vorsichtig den Flur entlangging. Es sah aus, als hätte ein heftiger Kampf stattgefunden.
Kleidungsstücke lagen herum, eine Bodenvase war umgestürzt und in tausend Scherben zersprungen. Ein schriller Schrei, gefolgt von dumpfen Schlägen, ließ Pia beinahe die Haare zu Berge stehen. War es klug von ihr, hier alleine im Haus herumzulaufen? Wie viele Männer waren mit dem polnischen Skoda gekommen? Was sollte sie tun, wenn sie plötzlich vier oder fünf Bewaffneten gegenüberstand? Aber sie hatte keine Zeit, jetzt eine Streife herzubeordern, die Frau
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