Eine unbeliebte Frau
Stimme klang scharf.
»Nun ja«, Pia betrachtete das Gesicht der Frau eingehend, »wir haben in der Wohnung von Isabel einen ganzen Stapel mit Filmen gefunden, die sie beim Beischlaf mit verschiedenen Männern zeigten. Ihr Mann war so freundlich, uns zu erklären, dass es sich bei den Herren zum großen Teil um abtrünnige Geschäftspartner der JagoPharm handelte.«
»Tatsächlich?«, der Ausdruck auf Marianne Jagodas Gesicht wechselte von Misstrauen zu Neugier, und als sie weitersprach, lag zynische Belustigung in ihrer Stimme. »Deshalb verdiente sie also so viel. Ich habe mich immer gefragt, weshalb sie meinem Mann zehntausend Euro im Monat wert war.«
»Ihr Mann hatte auch ein Verhältnis mit Isabel«, sagte Pia und wartete gespannt auf die Reaktion. Zu ihrer Überraschung lachte Marianne Jagoda schallend.
»Ach was«, sie machte eine verächtliche Handbewegung, »mein Mann steht gar nicht auf so dürre Dinger.«
»Ich fürchte, doch«, Pia legte das Diktiergerät auf den Tisch.
»Was fällt Ihnen ein?« Marianne Jagoda hörte auf zu lachen, ein wütender Funke glomm in ihren dunklen Augen. »Mein Mann liebt mich, er würde nie .«
Pia drückte auf die Play-Taste.
»... wenn ich nur schon an die fette Henne denke, muss ich kotzen«, ertönte Jagodas Stimme vom Band, »dieses keuchende Nilpferd! Na, komm schon, sag mir, was du mit mir machst, wenn ich zu dir komme, das macht mich scharf .«
Marianne Jagoda starrte mit zusammengepressten Lippen auf das Gerät, ihr Gesicht war wie versteinert und die Hände zu Fäusten geballt.
»Dieser hinterhältige Wurm«, knirschte sie erbost.
»Sie haben nicht gewusst, dass Ihr Mann ein Verhältnis mit Isabel hatte?« Pia steckte das Gerät wieder ein. Marianne Jagodas Blick wanderte von der Tischplatte hoch zu Pias Augen.
»Verdammt, nein«, sagte sie mit gepresster Stimme. »Er kann von Glück reden, dass er in U-Haft sitzt.«
Sie wirkte tief getroffen von dem, was sie gerade ziemlich schonungslos erfahren hatte, und beinahe hätte sie Pia leidgetan. Doch dann fielen ihr wieder Marianne Jagodas Eltern ein, die qualvoll und womöglich unter Mitwirkung ihrer geldgierigen Tochter an einer Rauchvergiftung gestorben waren.
»Als ich meinen Mann kennengelernt habe, war ich nicht so fett wie heute«, sagte Marianne Jagoda plötzlich. »Ich war zwar nie gertenschlank, aber nach der Schwangerschaftnahm ich zu. Erst zehn Kilo, dann zwanzig. Meinem Mann gefiel das. Hat er jedenfalls behauptet.« Sie senkte den Blick.
»Er sagte mir immer, er würde mich so lieben, wie ich bin.«
»Aber er hat nicht mehr mit Ihnen geschlafen«, vermutete Pia. »Der Pferdepfleger ist doch heute nicht hier, um im Garten zu arbeiten, oder?«
Marianne Jagoda richtete sich auf.
»Hören Sie«, sagte sie beinahe drohend, »ich bin zwar fett, aber ich bin trotzdem eine Frau. Ich bin erst siebenunddreißig Jahre alt. Es ist demütigend, aber ich weiß, dass Leute wie Sie über mich lachen und es als pervers empfinden, wenn eine Dicke wie ich sexuelles Verlangen verspürt.« Ihre Mundwinkel zuckten, als wolle sie in Tränen ausbrechen, aber dann hatte sie sich rasch wieder unter Kontrolle und erhob sich abrupt. »Wollten Sie sonst noch etwas wissen?«
Pia wollte noch eine ganze Menge wissen, aber sie beschloss, es für diesmal gut sein zu lassen. Marianne Jagoda sollte erst einmal ganz in Ruhe verarbeiten, was sie gerade erfahren hatte.
Bodenstein blätterte im Notizbuch von Isabel Kerstner und begann allmählich einige Zusammenhänge zu begreifen, die er und seine Mitarbeiter bis dahin übersehen hatten.
»Hallo, Chef«, Pia Kirchhoff betrat Bodensteins Büro. »Ich war gerade bei Marianne Jagoda, und ich kann Ihnen sagen, da habe ich .«
»Schauen Sie sich das mal an«, Bodenstein schob ihr das Notizbuch hin, und sie beugte sich darüber.
»Was meinen Sie?«, fragte Pia irritiert.
»Hier«, Bodenstein tippte auf eine Eintragung am 12. August. »Wie konnten wir das übersehen?«
»Anna. Bilder Hardy und Fatty«, las Pia und schüttelte ungläubig den Kopf, »Anna? Anna Lena Döring?«
»So verstehe ich das«, Bodenstein nickte. »Hardy ist Hardenbach, und als Fatty bezeichnete Isabel Marianne Jagoda. Das wissen wir aus dem Notizbuch. Vielleicht hat Isabel die Bilder gar nicht von Hardenbach bekommen, sondern von Anna Lena Döring. Die werden wir jetzt erst mal besuchen.«
Das Haus von Dr. Kerstner, in dem sie Anna Lena Döring vermuteten, lag dunkel und verlassen da, als
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