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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Schlegel, der immer wieder auf das straffe Fell schlug. Er wusste, dass es die große Trommel war, der Herzschlag des Marsches, ein beständiger, gleichmäßiger Rhythmus. Die Kapelle spielte schon, mit Schlagzeug und Bläsern. Eine Piccoloflöte erhob sich schrill über alle anderen Klänge. Er schob das Moped das letzte Stück zum Schuppen, denn Else Meiner sollte ihn nicht hören, bei ihr wusste man nie, ihr entging so schnell nichts. Als er das Moped abgestellt hatte, schlenderte er über den Schulhof und sah sich um. Auf den dunklen Asphalt war ein Himmel- und Höllespiel aufgemalt und er konnte der Versuchung nicht widerstehen, darauf herumzuhüpfen, auch wenn er keinen Stein hatte. Ich wiege nicht viel, dachte er und hüpfte weiter, aber ich bin sportlich. Ich bin ja das reinste Hüpfmonster, zum Teufel aber auch. Die bescheidene Turnübung auf dem Asphalt erhöhte seinen Herzschlag, das Blut wurde schneller durch seinen schmächtigen Leib gepumpt. Er blieb auf dem Schulhof stehen und betrachtete ihn ausgiebig. Er sah den Fuß- und Fahrradweg, der mit einer rotweißen Schranke für größere Fahrzeuge gesperrt war, er kannte den Weg aus der Zeit, als er die Suzuki noch nicht hatte. Der Weg war schmal und asphaltiert und wurde der Liebespfad genannt. Auch Else Meiner war von dort gekommen, da war er sich ganz sicher, denn sie wohnte in Bjørnstad. Und wenn sie nach dem Üben zurück in die Rolandsgate fuhr, dann würde sie auch wieder diesen Weg nehmen. Auf ihrem blauen Nakamurarad. Zumindest nahm er das an, oder anders gesagt: Das ging in seine Berechnungen ein. Um seinen bösen Plan in die Tat umzusetzen, den er im Laufe hasserfüllter Nachmittagsstunden mühsam geschmiedet hatte. Beflügelt von diesen Aussichten ging er mit raschen Schritten auf die Schranke zu. Es würde kein Problem sein, die Suzuki daran vorbeizuschieben. Dann könnte er auf dem Weg auf sie warten, hinter den Sträuchern versteckt, denn es gab viele davon. Jetzt schlug sein Herz noch schneller. Er war erfüllt von diesem honigsüßen Gefühl, das Rache heißt. Er blieb eine Weile in Gedanken vertieft vor der Schranke stehen und musterte eingehend die dichte, trockene Vegetation. Dann ging er zum Schulgebäude zurück. Schlich zu einem Kellerfenster und schaute in die Turnhalle. Er sah den Dirigenten mitten im Raum stehen und heftig den weißen Taktstock schwenken, sein ganzer Körper bebte, um die Kapelle im Marsch voranzutreiben, er hatte spitze Ellbogen, federte in den Knien und bewegte emsig sein bärtiges Kinn. Auf der linken Seite der Halle saßen die Holzbläser. Eine Klarinette quiekte. Das Schlagzeug war ganz hinten. Und dort, vorne rechts, saßen die Messingbläser. Da saß Else Meiner mit ihrer Trompete. Ihre Wangen beulten sich aus, genau wie er sich das vorgestellt hatte. Aber die konnte vielleicht spielen, verdammt, sie war die einzige die saubere Töne lieferte, die Einzige, die im Takt blieb. Johnny ließ sich auf den Asphalt sinken. Er lehnte mit dem Rücken an der Mauer, während die Kapelle sich durch eine Reihe von Märschen quälte. Die Trommel interessierte ihn am meisten. Der Schlegel bewegte sich präzise und eifrig, er wies den anderen ihren Platz an, zog sie sozusagen zurück ins Glied, denn es ließ sich nicht leugnen, dass sie wild durcheinander spielten. In regelmäßigen Abständen verstummten die Musiker, und dann war ein scharfes Klickern zu hören. Das war der Dirigent, der mit dem Taktstock auf seinen Notenständer schlug. Es bedeutete, dass eine Korrektur fällig war. Nach einer Stunde wurde es plötzlich still in der Turnhalle. Johnny sah vorsichtig durchs Fenster. Sie machten eine Pause. Alle waren aufgestanden und hatten ihre Instrumente auf die Stühle gelegt, und alle waren auf dem Weg nach draußen. Die Jungen wollten wahrscheinlich heimlich rauchen, die Mädchen Himmel und Hölle spielen oder vielleicht schnell ein Kaugummi einwerfen. Er sprang auf und stürzte hinter das Schulhaus, wo er sich versteckte und von weitem das Gewimmel beobachtete. Else Meiner trug Jeans und eine hellblaue Jacke, aber die hatte sie falsch herum angezogen, mit den Knöpfen auf dem Rücken. Sie war also eine, die gerne gegen den Strich bürstete, aber das wusste er ja schon. Sie stand mit zwei anderen Mädchen zusammen, sie schienen sich Süßigkeiten zu teilen. Die Mädchenstimmen schwebten glockenrein durch die Luft. Er presste sich gegen die Wand, behielt sie aber im Auge, prägte sich ihre Bewegungen ein, das Spiel

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