Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)
gedacht, dass Huberts Drama mir den Tag retten würde?
Nachricht vier: »Äh, Lola? Hier ist Drew.« Verdammt, ich ahnte schon, worauf das hinauslief. »Du, mir geht es gar nicht gut.« Er räusperte sich und begann erneut mit seiner offiziellen Krankenstimme. »Ich weiß, du hast gesagt, du brauchst diese Artikel gleich Montag früh, aber ich glaube, es besteht keine Chance, dass ich sie bis dahin schaffe. Wahrscheinlich werde ich Montag gar nicht zur Arbeit kommen. Weil es mir wirklich schlecht geht.« Großer Hustenanfall. »Okay. Also, wenn du was brauchst, kannst du anrufen. Aber wenn ich schlafe, gehe ich vielleicht nicht ans Telefon. Und wenn du zufällig bei mir vorbeifährst und mein Auto nicht siehst, kommt das daher, dass ich es meinem Bruder geliehen habe. Weil ich ja sowieso nicht damit fahren kann. Weil ich so krank bin.« Ja, ja, ich hatte verstanden: Du kommst am Montag nicht zur Arbeit, weil du krank spielst, in Wahrheit aber wegfährst. »Okay. Tschüs.«
Drew war einer der zwei festangestellten Journalisten des Elternmagazins, dessen Herausgeberin ich war. Seine bloße Existenz verursachte mir manchmal schon Kopfschmerzen. Die andere Angestellte war Mrs. Kinkaid, und ja, sie wollte »Mrs. Kinkaid« genannt werden. Sie arbeitete schon seit dreißig Jahren für die Zeitung und war von Abteilung zu Abteilung weitergereicht worden, immer dorthin, wo sie am wenigsten Schaden anrichtete. Nach der Neugründung des Elternmagazin (hauptsächlich, um mehr Werbung platzieren zu können) bekam die damalige Herausgeberin sofort Mrs. Kinkaid aufgebrummt. Und als ich den Job übernahm, war Mrs. Kinkaid die erste, die ich sah, als ich durch die Tür kam. Sie begrüßte mich mit einem Teller Schokoladenkuchen und jeder Menge Tratsch.
Die überwiegende Zeit störte sie mich nicht besonders. Sie war meist gut gelaunt, konnte sogar einigermaßen schreiben und ließ sich die eine oder andere gute Schlagzeile einfallen. Ihre nachlässige Arbeitseinstellung war allerdings gewöhnungsbedürftig. Andauernd telefonierte sie mit ihrer Tochter und erledigte während der Arbeitszeit ihre Bankgeschäfte. Ich vermutete, dass sie gegen irgendjemanden hoch oben etwas in der Hand hatte, denn jedes Mal, wenn ich mich beschwerte, gab mein Boss mir zu verstehen, dass Mrs. Kinkaid zu meinem Job einfach dazugehöre. Fast kam es mir so vor, als wollte er mir dabei ermutigend über den Kopf streichen.
Wenn Drew am Montag nicht käme, wären nur Mrs. Kinkaid und ich da, was gar nicht mal so schlimm wäre, solange ich ihr Telefongeplapper ignorierte und mich auf meine Arbeit konzentrierte. Das Komische war, dass ich trotz der extremen Eigenheiten meines Personals meinen Job liebte. Das
Magazin erschien einmal pro Monat, also gab es keinen allzu großen Druck. Der Inhalt bestand zum Großteil aus versteckter Werbung, aber das machte mir nichts aus. Ich hatte das letzte Wort, was das Layout, die Fotos und das Titelbild betraf, und hin und wieder veranstalteten wir etwas Lustiges, wie einen Foto- oder Geschichtenwettbewerb.
Meine Vorgängerin hatte gekündigt, weil sich das Büro im Keller des Verlagshauses befand. Sie litt unter einer Art Keller-Klaustrophobie und wollte nicht so weit vom Spektakel der oberen Etagen entfernt sein. Mir war das egal. Abgesehen von den Spinnen arbeitete ich gern im Keller.
Meine Familie witzelte ständig über die Ironie des Schicksals, dass ich als alleinstehende Frau ohne Kinder ein Elternmagazin herausgab. Es verletzte mich ein bisschen, dass sie mich mit meinen neunundzwanzig Jahren bereits abgeschrieben hatten. Ich gab dann immer zurück, wie sehr ich meine Unabhängigkeit genießen würde, auch wenn ich mich insgeheim fragte, ob sie nicht recht hatten.
Als ich den Löschknopf betätigte, kam Hubert durch die Tür, gefolgt von Brother Jasper, Ben Cho und zwei weiteren Asiaten. Alle trugen Kisten. Allmählich zeichnete sich hier ein Muster ab.
»Hallo Lola«, sagte Hubert, stellte seine Kiste in einer Wohnzimmerecke ab und bedeutete den anderen, dasselbe zu tun. »Sieh mal, ich habe Hilfe bekommen.«
»Ja, das sehe ich. Hallo Brother Jasper. Hallo zusammen.«
»Miss Lola.« Brother Jasper lächelte. »Das ist ja ein wunderbares Wochenende! Erst durfte ich etwas von Mrs. Chos leckerem Essen kosten und nun bin ich auch noch einer der ersten, der Hubert in seiner neuen Nachbarschaft begrüßen darf.
Und«, fügte er mit ausgestrecktem Arm in meine Richtung hinzu, »wie lieb von Ihnen, dass Sie Ihren
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