Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)
wirklich schlimm sei, niemals umarmt oder gestreichelt zu werden oder gar Sex zu haben. Erst viel später war mir klar geworden, dass ich selbst in diese Kategorie passte. Ich und achtzigjährige alte Damen namens Mabel und Cora hatten mehr gemeinsam, als ich zugeben wollte. Aber möglicherweise war meine emotionale Dürre ja jetzt vorbei.
Der Film ging viel zu schnell zu Ende – ich hätte ewig in dem gemütlichen Sessel sitzen, den Duft von Popcorn einatmen und abwechselnd auf die Leinwand und den gutaussehenden Mann neben mir starren können. All meine Sinne wurden gleichzeitig befriedigt.
Als der Abspann begann, stand die Hälfte der Leute auf und ging, einschließlich der jungen Mädchen vor uns. Am Stimmengemurmel konnte ich erkennen, dass der Film den meisten gefallen hatte. Ich hörte nach einem Film immer heraus, ob die Zuschauer ihn den Eintritt wert befanden oder
nicht. Ryan trank von seiner Pepsi und machte keine Anstalten zu gehen, also blieb ich ebenfalls sitzen. Ich freute mich, dass auch er gern den Abspann abwartete.
»Und? Wie war’s?«, erkundigte sich Ryan, als die Lichter angingen. Er lehnte sich zu mir und seine Lippen waren nur wenige Zentimeter von meinen entfernt. »Hat es dir gefallen?«
Ich war einen Moment lang verwirrt, bis mir klar wurde, dass er über den Film sprach. »O ja, der Film war toll«, versicherte ich. »Wirklich witzig.«
»Das fand ich auch.« Er sog wieder durch den Strohhalm an seiner Cola – den letzten Rest, so wie es sich anhörte. »Wenn ich die Wahl habe, sehe ich lieber etwas Lustiges als etwas Ernstes oder Deprimierendes.«
»Ich auch.« Wieder etwas, das wir gemeinsam hatten. Zu schade, dass er so gar nicht in meiner Liga spielte.
Schließlich standen wir auf und folgten den letzten Gästen in die hell erleuchtete Lobby.
»Unser Timing passt nicht so ganz«, meinte Ryan nach einem Blick auf die Uhr. »Wir müssen noch eine Stunde Zeit totschlagen. Wir könnten entweder eine Weile herumfahren und dann essen gehen oder gleich ins Restaurant fahren und uns noch an die Bar setzen.« Er sah mich fragend an. »Was immer Euer Lady wünschen.«
Schnell – ruft die Presse und das Fernsehen! Ritterliches Verhalten war doch noch nicht vollkommen ausgestorben! »Ist mir egal«, antwortete ich, doch dann dachte ich, dass es zu unentschlossen klang. »Nein, beides – erst ein bisschen herumfahren und wenn wir dann noch Zeit haben, einen Drink an der Bar nehmen?«
Ryan verbeugte sich galant. »Zu Befehl.«
Wir grinsten uns an wie überschwängliche Drittklässler, als mir plötzlich jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um ... und sah Chad und Mindy hinter mir stehen.
»Wusste ich’s doch, sie ist es!«, sagte meine Schwester.
20
»Ich habe Chad gleich gesagt, dass du es bist.« Mindy grinste und wippte mehrmals von der Ferse auf die Fußballen. Es sah fast so aus, als ob sie hüpfte – das kleine Energiebündel. »Er konnte kaum glauben, dass du an einem Freitagabend ausgehst! Sitzt du sonst um diese Uhrzeit nicht immer schon im Schlafanzug auf der Couch und siehst dir alte Filme an?« Sie tat so geheimnistuerisch, als hätte sie mich bei den Weight Watchers erwischt.
Ich hatte einige Strategien parat, um mit Mindy klarzukommen, und die effektivste war, ihre gehässigen Bemerkungen einfach zu ignorieren. Ich fasste Ryan am Ellenbogen, um zu zeigen, dass wir zusammengehörten. »Ryan, das sind meine Schwester Mindy und ihr Verlobter Chad.« Ich warf meiner Schwester einen warnenden Blick zu, auch wenn das noch nie etwas gebracht hatte.
Ryan gab Chad die Hand. »Ryan Moriarty. Ich habe schon viel von Ihnen beiden gehört. Es ist mir ein Vergnügen, Sie endlich kennenzulernen.« Chad schüttelte ihm kräftig die Hand und grinste.
»Allerdings habe ich noch gar nichts von Ihnen gehört.« Mindy schob sich mit dramatischer Geste das Haar hinters
Ohr. Ich nahm an, dass sie sich das schon in der Kindheit antrainiert hatte, um die Aufmerksamkeit auf ihr Haar zu lenken. Ständig klagte sie darüber, aber mich konnte sie damit nicht täuschen: Sie war nur auf Komplimente aus. Ihr Haar war kräftig und glänzend. Und das wusste sie. »Lola, du alte Geheimniskrämerin! Ich hatte ja keine Ahnung! Wie lange geht das schon mit euch beiden? Ihr seid doch zusammen, oder?« Bei der Frage wanderte ihr Blick zu Ryan.
Ich schluckte und sah ihn ebenfalls an. Ryan schenkte ihr sein strahlendstes Lächeln. »Das erste Mal habe ich Lola gesehen, als sie mir
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