Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)
einen Dachboden gab, ganz zu schweigen von dessen Inhalt. Diese Frau war für mich wie eine Fremde gewesen. Zwar hätte ich sie aus einer Reihe alter Leute herauspicken können, aber das wäre auch schon alles gewesen.
»Ach, und ihr alter Plattenspieler funktioniert noch. Ich habe ihn vor ein paar Minuten ausprobiert.« Hubert schien bei diesem Dachbodenprojekt richtiggehend aufzublühen. Ohne mein Wissen hatte er jeden Tag nach der Schule hier gearbeitet, bevor ich aus dem Büro nach Hause gekommen war. »Der Stapel da drüben«, sagte er und deutete ans andere Ende, »ist nur Müll. Alte Decken, mottenzerfressene Kleider, kaputte Weihnachtsdekoration, rostiges Werkzeug. Du kannst es gern durchsehen, aber ich glaube nicht, dass du etwas davon behalten willst.«
»Ich glaube dir.«
»Mit den Kisten und Koffern bin ich fast fertig. Die Tagebücher sind wirklich faszinierend. Die wirst du bestimmt lesen wollen.«
Fast hätte ich gesagt »Da sei dir nicht zu sicher«, aber er sah so begeistert aus, dass ich nur mit dem Kopf nickte.
»Weißt du«, meinte er und sah sich um, »das ist wirklich ein toller Raum hier. Ein super Spielplatz für Kinder.«
»Ja, wenn man die Kinder ärgern will.«
»Natürlich müsste man erst umbauen. Isolieren und verkleiden und so etwas. Aber stell dir doch mal vor, wie viel Spaß Kinder in so einem großen Raum hätten.« Seine Augen begannen zu leuchten. »Auf der einen Seite könnte man eine Dachgaube einbauen, um mehr Licht und auch mehr Höhe zu bekommen. Das wäre fantastisch.«
Ich schaute mich um, konnte mir den Raum jedoch nicht anders vorstellen als so, wie er jetzt aussah. So etwas war mir schon immer schwer gefallen. »Ja, das wäre wohl eine Möglichkeit.« Um mich herum wirbelten Staubflocken durch die Luft. Wie viele wir davon einatmeten, wollte ich mir erst recht nicht vorstellen. »Möchtest du nicht eine Pause machen, Hubert? Es ist schrecklich heiß hier oben. Sollen wir vielleicht etwas essen?«
»Nein, ich gönne meinem Magen lieber eine Pause. Ich will nur noch ein paar Stapel durcharbeiten, dann bin ich für heute fertig. Wenn du gehen willst, tu das ruhig.«
Ich zögerte. Wäre es sehr unhöflich, in den wohnlicheren Teil des Hauses zu flüchten und meinen kranken Freund mit dem alten Kram allein zu lassen? »Ich lasse dich aber nicht gern allein.«
»Ach, ist schon gut.« Er wedelte mit der Hand in Richtung Treppe. »Raus mit dir. Vergiss nur nicht, die Tagebücher mitzunehmen.« Er hob einen Stapel in Leder gebundener Bücher vom Boden und hielt sie mir entgegen. »Da wirst du bestimmt interessante Gutenachtlektüre haben.«
Ich nahm ihm die Bücher ab und wischte automatisch über den obersten Einband. Toll, jetzt hatte ich eine dreckige Hand und einen Stapel staubiger Bücher.
»Du solltest die Einbände vielleicht mit einem feuchten Tuch abwischen«, empfahl Hubert lächelnd. »Und den Staub aus den Seiten schütteln.«
»Danke für den Rat.« Ich sollte die Dinger lieber auf dem Dachboden lassen, aber das zu sagen, wäre undankbar gewesen. Hubert hatte sich wegen mir viel Mühe gemacht, da konnte ich wenigstens so tun, als würden mich seine Funde interessieren. »Ich bin dir wirklich dankbar, dass du das hier für mich machst. Es ist ein Haufen Arbeit und schmutzig noch dazu.«
»Ach, was.« Er winkte ab. »Das mache ich doch gern. Und jetzt raus mit dir, damit ich weiterarbeiten kann.«
29
Am nächsten Morgen zog Hubert mit Ben Cho los, um für irgendeine Essensausgabe belegte Brote zu schmieren – was immer das zu bedeuten hatte. Mich hatten sie auch dazu eingeladen, aber ich entschuldigte mich mit der Begründung, dass ich mir Arbeit aus der Redaktion mitgebracht hätte. In Wahrheit wollte ich nur allein sein, um meine E-Mails zu lesen und ein bisschen im Internet zu surfen.
Doch noch ehe ich den Computer hochfahren konnte, klingelte das Telefon. Als ich Pipers Namen auf dem Display las, beschloss ich, meine Pläne zu verschieben.
»Tut mir leid, dass ich dich gestern Abend verpasst habe«, sagte sie nach der Begrüßung. »Aber Mike und ich hatten endlich mal wieder einen Abend für uns.«
Ich legte mich aufs Bett und ließ die Beine baumeln. Bei einem Gespräch mit Piper musste ich es mir gemütlich machen. Höflich lauschte ich ihren Problemen mit früheren Babysittern. Sie hatte es mit diversen Teenagern versucht, aber selbst die besten unter ihnen waren eine Enttäuschung gewesen. »Weiß du noch, wie es war, als wir früher
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