Eine ungezaehmte Lady
bliebst.« Er versuchte, hilfsbedürftig zu klingen, und das fiel ihm nicht schwer, weil er das Gefühl hatte, jeden Moment die Knöpfe an seiner Hose zu sprengen.
Sie zögerte, schaute sich um und wandte sich dann wieder ihm zu. »Ich glaube nicht, dass uns hier jemand finden wird, aber vielleicht hast du recht. Wir sollten vorsichtig sein. Ich bin gleich wieder zurück.«
Er sah ihr nach, als sie, nur knapp von dem Handtuch bedeckt, in der Scheune verschwand. Einige Frauen versprachen in einem schicken Satinkleid mehr, als sie halten konnten. Lady gehörte nicht dazu. Ob mit oder ohne Satin – sie sah immer fantastisch aus.
Er knöpfte rasch sein Hemd auf und zog es aus. Er war ebenso begierig darauf, in die Wanne zu steigen wie in ihr Bett. Vielleicht konnte er sie zumindest dazu überreden, ihm den Rücken zu waschen.
17
Lady saß außerhalb des kreisförmigen Lichtkegels der Laterne, der Rafe einen goldenen Schimmer verlieh. Sie hatte ihre Beine seitlich angezogen, neben ihrer rechten Hand lag ihr Colt, und der Hund hatte seinen Kopf auf ihre Knie gelegt. In der Ferne jaulte ein Kojote, und einige seiner Artgenossen antworteten ihm. Diese vertrauten Geräusche, Rafes Geplansche im Wasser und die friedliche Nacht auf dem Land erinnerten sie an glücklichere Zeiten.
Sie hatte abends immer sehr gern mit Ma und Dad auf der Terrasse hinter ihrem Farmhaus gesessen. Wenn alle Aufgaben erledigt waren und die Nacht hereinbrach, hatten sie es sich oft dort gemütlich gemacht, satt von einem guten Abendessen und müde von der geleisteten Arbeit. Sie konnte beinahe den kräftigen Geruch von Dads Pfeife riechen und das Klappern der Stricknadeln ihrer Ma hören, die auch im Dunkeln stricken konnte. Manchmal schnaubte oder wieherte eines der Pferde oder stampfte mit dem Huf in der Scheune auf, und dann war alles wieder still.
Pferde. Es war allgemein bekannt, dass es im Indian Territory die besten Pferde gab, ob sie gestohlen waren oder nicht. Dad beherrschte das Züchten, Aufziehen und Trainieren dieser wunderschönen Tiere ebenso gut wie die Komantschen. Und das wollte etwas heißen, denn die Komantschen waren wahre Meister auf diesem Gebiet. Die Leute kamen von weit her angereist, um Dads Pferde zu kaufen, aber er war sehr wählerisch, wenn es darum ging, eines seiner Tiere herzugeben. Wie alle Lebewesen auf der Farm betrachtete er sie als Familienmitglieder.
Familie. Ma hatte ein Herz für jeden gehabt. Für einen streunenden Hund, ein Huhn oder irgendeine mutterlose Kreatur hatte sie immer einen Leckerbissen bereit. Sie schalt Dad nie, wenn er gutes Geld für ein wertvolles Pferd ablehnte, weil er befürchtete, der Käufer würde das Tier nicht gut behandeln. Und wenn er mit dem Käufer einverstanden war, verlangte er nie genug für das Pferd.
Zuhause. Ma und Dad hatten immer dafür gesorgt, dass es genügend zu essen und anständige Kleidung gab, denn sie hatten Gemüse angebaut, Hühner gehalten, gekocht, eingemacht, genäht und gejagt. Mit den Einkünften wurden Dinge wie Bücher, Zucker, Salz, Schuhe und Eisenwaren gekauft und etwas für harte Zeiten zurückgelegt.
Wenn Lady an diese herrliche Zeit zurückdachte, konnte sie sich kein besseres Leben vorstellen. Sie hatten sich geliebt und jeden Tag miteinander gelacht. Natürlich hatten sie auch Probleme gehabt, aber sie hatten sie gemeinsam angepackt und gelöst.
Dad hatte ihr einiges beigebracht, damit sie eines Tages seine Pferdezucht übernehmen konnte. Damals hatte sie sich allerdings nicht vorstellen können, dass es einmal eine Zeit geben würde, in der er nicht mehr mit seinen geliebten Tieren arbeiten könnte oder wollte. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass ihre Eltern nicht bei mehr bei ihr waren. Manchmal wachte sie mitten in der Nacht auf und glaubte, alles sei noch beim Alten, doch dann überfiel sie der Schmerz des Verlustes. Nichts war mehr wie früher, und es würde auch nie wieder so sein.
Dad hatte immer gesagt, sie habe ein göttliches Geschenk erhalten – Epona, die Göttin der Pferde, spreche zu ihr. Er hatte sie ermahnt, Epona nie einen Grund zu geben, ihr diese besondere Totemkraft zu entziehen. Ma glaubte, dass die Spinnengroßmutter ihrer Tochter bei der Geburt ein Netz um den Hals gesponnen und ihr damit die Kraft gegeben hatte, mit ihrer goldenen Stimme Geschichten zu erzählen. Sie hatten ihr eingeschärft, dass sie damit Verantwortung trug und ihre Gaben niemals vergeuden durfte und ihre Totemkraft immer respektieren
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