Eine ungezaehmte Lady
musste.
Lady stiegen Tränen in die Augen. Wenn Ma keine französisch sprechende Choctaw gewesen wäre, die gezwungen wurde, nach Westen in das Indian Territory zu gehen … Wenn Dad kein Amerikaner mit irischen Vorfahren gewesen wäre und im Westen nach Freiheit und genügend Platz für Pferde gesucht hätte … Wenn sie nicht gerade Brombeeren gepflückt hätte, als Dad einem Gesetzlosen zu viel eine Abfuhr erteilt hatte … Alles das hatte sie verletzlich gemacht, ihnen aber auch ein reiches Leben voll Liebe ermöglicht. Sie könnte heute noch Sharlot Eachan sein – eine wohlerzogene junge Dame, der Augapfel ihrer Eltern, und nicht die Lady mit dem Colt, eine berüchtigte Banditin und Saloonsängerin.
Trotzdem würde sie dieser gesellschaftliche Abstieg nicht stören, wenn ihr nur Epona dabei half, Coppers Spur zu finden, und die Spinnengroßmutter ein hauchdünnes, verschleierndes Netz webte, sodass sie den Hengst retten und Gerechtigkeit üben konnte. Sie musste es einfach schaffen. Und sie musste ihre Freiheit behalten. Damit ihr beides gelang, brauchte sie die Hilfe dieses Gesetzeshüters.
Deputy U.S. Marshal Rafe Morgan. Eigentlich sollte sie ihn hassen, weil er ihr Handschellen angelegt hatte, sie verwundbar und zu einer Gefangenen gemacht hatte, und versuchte, sie hinter Gitter zu bringen. Aber sie hasste ihn nicht. Das brachte sie nicht fertig. Er hatte ihr das Leben gerettet. Und dabei das Leben verloren, an das er gewöhnt war – ein gutes Leben als respektierter Gesetzeshüter.
Das Schicksal hatte sich zu ihren Gunsten gewendet. Vielleicht hatten Epona oder die Spinnengroßmutter mithilfe ihrer Zauberkraft ihn in ihr aus den Fugen geratenes Leben geschickt. Mit ihm an ihrer Seite hatte sich das Blatt gewendet, und sie hatte endlich gute Karten in der Hand. Und sie hatte vor, sie entsprechend auszuspielen.
Sie hatte ihren neuen Reitrock und die dazu passende Bluse angezogen. Nach den anstrengenden letzten Tagen fühlte sie sich jetzt gut – sauber und frisch. Schnitte und Schürfwunden und Schmerzen machten ihr nicht mehr viel aus, jetzt, wo sie gut gegessen hatte, sauber war und sich sicher und frei fühlte.
Rafe hatte ihr seit ihrer Begegnung große Schwierigkeiten gemacht, aber wenn sie ehrlich mit sich selbst war, musste sie zugeben, dass er ihr auch überraschend viel Vergnügen bereitete. Das durfte er allerdings nicht erfahren. Schließlich war sie die unnahbare Lady mit dem Colt, berüchtigt dafür, die Männer in Texas und im Indian Territory zu quälen, bis sie ihren Willen bekam. Da durfte es nicht allzu schwer sein, einen einzelnen Gesetzeshüter auf der Flucht unter Kontrolle zu halten.
»Rafe«, begann Lady. Sie wagte es nicht, ihn anzuschauen, solange er sich nackt nur ein paar Schritte von ihr entfernt befand. Und wahrscheinlich traute sie auch ihm nicht, da die es zwischen ihnen spürbar knisterte. »Ich wollte fragen, ob …«
»Wir wäre es, wenn …«
»Entschuldigung«, sagte sie. »Du zuerst.«
»Eine Stelle an meinem Rücken schmerzt. Sie könnte sich entzündet haben. Aber ich kann sie nicht erreichen.«
»Soll ich sie dir auswaschen?«
»Ich wäre dir dankbar für deine Hilfe.« Er streckte ihr die Seife und den Waschlappen entgegen.
Sie steckte ihren Colt ins Holster, tätschelte dem Hund den Kopf und kniete sich neben die kleine, runde Zinnwanne. Rafes Knie berührten beinahe sein Kinn. Er roch nach Lavendel, und der Duft wirkte an ihm erstaunlich sinnlich. Sie sehnte sich danach, seine harten Brustmuskeln zu berühren, ihre Finger durch sein dichtes Haar gleiten zu lassen, und heiße Küsse in seine Haut zu brennen, sodass er für immer ein Zeichen von ihr tragen würde.
Stattdessen griff sie nach der Seife und dem Waschlappen. »Beug dich vor, damit ich mir das besser anschauen kann.« Die Gelegenheit, ihn zu berühren, wollte sie sich nicht entgehen lassen. »Ich werde dir besser den ganzen Rücken waschen.«
»Danke.«
Sie seifte den Waschlappen ein und fuhr damit vorsichtig über die entzündete Stelle an seinem Schulterblatt. Als sie den Rest seines Rückens wusch, spürte sie, wie die Hitze seines Körpers auf sie überging. Sie hatte das Gefühl, in Flammen zu stehen.
»Das fühlt sich gut an.«
Für sie ebenso, aber sie musste sich auf ihre Ziele konzentrierten und ihre Wünsche zurückstellen. Copper lief die Zeit davon. Sie musste so schnell wie möglich ihren Plan in die Tat umsetzen. »Was hast du jetzt vor, wo du steckbrieflich gesucht
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