Eine ungezaehmte Lady
anstacheln wollten.
Rafe entspannte sich, tätschelte ihre Hand und lächelte. »Also los, Schätzchen. Heiz den Jungs richtig ein.«
»Ich weiß, ihr alle könnt es nachempfinden, wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren.« Lady schaute in die Runde. »Dieses Lied hat eine junge Choctaw geschrieben, nachdem ihr Vater und ihre Brüder bei einem Überfall getötet worden waren. Das möchte euch gern vorsingen.«
Die Männer stellten ihre Gläser ab und legten die Karten auf den Tisch, und im Saloon wurde es still.
Lady lächelte traurig, senkte den Kopf und schaute dann wieder hoch, als sie zu singen begann.
Natürlich müssen alle Menschen sterben,
Aber niemand weiß, wie schnell es gehen kann.
Und doch, wenn der Zeitpunkt kommt,
Mag dieser Moment ein schöner sein.
Rafe beobachtete, wie die Banditen sich aufmerksam zu Lady vorbeugten. Sie hielten den Atem an und nickten verstehend, denn sie wussten, dass auch ihr Leben möglicherweise nur kurz sein würde. Sie hatte das richtige Lied für diese Gesetzlosen ausgewählt, die sich hier am Rand des Indian Territory durchschlugen.
Ihm wurde bewusst, dass es im Red River Saloon ähnlich gewesen war. Lady hatte auch dort alle Herzen erobert und sich in die Gedanken und Seelen der Männer gesungen. Sie besaß eine gewisse Macht, wenn sie sang. Nur damals war sie für ihn lediglich ein Name auf einem Steckbrief und ein hübsches Gesicht auf einer Bühne gewesen. Jetzt bedeutete sie viel mehr für ihn. Es schien eine Ewigkeit zurückzuliegen, obwohl tatsächlich nicht viel Zeit vergangen war. Irgendwie war es ihr gelungen, einen Weg zu seinem Herzen zu finden, Begierde in ihm zu schüren und sein Leben auf den Kopf zu stellen.
Sie wurde nicht umsonst die Lady mit dem Colt genannt. Wer glaubte, ihr trauen zu können, sich auf sie verlassen zu können oder sie sogar lieben zu dürfen, war ein Narr. Rafe hatte sich schon gefährlich weit vorgewagt.
Trotzdem waren sie nun aneinander gebunden – durch die Umstände, durch ihre Ziele, durch Begehren und vielleicht noch durch andere Dinge, die er im Augenblick nicht erkennen konnte. Er hatte das Gefühl, in ein von ihr gesponnenes Netz aus Gefahr und Täuschung geraten zu sein und in den wunderschönen, aber tödlichen Seidenfäden festzuhängen. Merkwürdig. Er wusste nicht, woher solche Gedanken plötzlich kamen, aber ihre Stimme erweckte in Männern irgendetwas, was sie dazu brachte, Wege zu beschreiten, die sie normalerweise nicht in Erwägung zogen. Und diese Macht ließ sie zu einer sehr gefährlichen Frau werden.
Er hob sein Glas und kippte den Whiskey hinunter. Das Brennen in seinem Magen verschaffte ihm ein wenig Erleichterung. Lady hatte etwas an sich, was Männer reizte, aber davon durfte er sich nicht beeinflussen lassen. Er durfte den Kopf nicht verlieren. Er musste seinen guten Ruf wiederherstellen und dann Crystabelle finden. Das war alles, was zählte.
Als Lady ein weiteres Lied anstimmte, sah er sich in dem Raum um. Er war hier nicht erwünscht, das stand fest. Die Banditen hielten ihn bestenfalls für jemanden, der in ihrem Revier wilderte. Burt und Bob starrten ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Vielleicht würde er sich sogar mit jemandem anlegen müssen, um zu beweisen, dass Lady zu ihm gehörte. Aber bis dahin genoss er es, diese Männer grün vor Neid zu sehen.
21
So weit, so gut. Lady war aus mehreren Gründen erleichtert. Rafe spielte seine Rolle als Revolverheld recht gut, und die meisten der Gesetzlosen akzeptierten ihn. Das würde sich herumsprechen, und beim nächsten Mal würden sie es nicht mehr so schwer haben. Zumindest hoffte sie das.
Es hatte sie überrascht, als Rafe plötzlich ihren Liebhaber gespielt hatte. Aber zu ihrem Erstaunen hatte sie sich rasch und ohne Schwierigkeiten in die Rolle eingefunden. Es war ihr leichter gefallen, als ihr lieb war. Die sinnliche Spannung zwischen ihnen hatte sich offenbar vom ersten Moment ihrer Begegnung an immer weiter aufgebaut, und sie musste sie nun unter Kontrolle halten. Ihr Leben war ohnehin schon zu kompliziert, zu schwierig, zu gefährlich. Für einen Herzensbrecher war dort kein Platz.
Nun hier hieß es, eins nach dem anderen. Sie musste sich um die Hayes-Brüder kümmern, und dabei konnte sie keine Einmischung von Rafe brauchen. Sie musste ihn irgendwie beschäftigen und ablenken, während sie ihren Job erledigte.
Sie beendete ein weiteres Lied und hob dann ihr Whiskeyglas, um anzudeuten, dass ihr Programm nun beendet
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