Eine ungezaehmte Lady
Spinnennetzes. Das verursachte ihm Unbehagen.
Was zur Hölle hatte Sharlot mit all dem zu tun? Er wusste, dass ihre Eltern Pferde gezüchtet hatten. Wenn die Familie wegen ihrer Pferde getötet worden war, wie hatte Lady dann entkommen können? Hatte sie den Überfall organisiert und ihren Anteil nicht bekommen? Oder hatte es sich gar nicht um ihre Eltern gehandelt? Vielleicht ging ihre gespannte Beziehung zu Zip darauf zurück, dass er ihr die Pferde vorenthalten hatte. Gesetzlose verstanden sich untereinander auch nicht immer gut.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie eine eiskalte Mörderin war, aber vielleicht hörte er nur auf sein Herz und seinen Körper, und nicht auf seinen Verstand. Eigentlich vertraute er ihr, aber er sollte besser vorsichtig sein. Wenn es um sie ging, sollte er wie ein Gesetzeshüter denken, und nicht wie ein Mann.
Er betrachtete die Szene vor sich. Sharlot hatte ihre Fäuste in die Hüften gestemmt, und ihre Augen glitzerten blutdürstig. Das Pferd war bereit, auf ihr Kommando zu töten. Der Hengst kannte sie offensichtlich gut, sonst würde er ihr nicht auf diese Weise gehorchen.
»Pecos Pete, du hast fünf Sekunden Zeit, um mir zu sagen, wer dieses Pferd gestohlen hat, oder Copper wird deine Brust zerquetschen wie eine überreife Melone«, zischte sie und kniete sich neben ihn.
»Ich werde beschützt«, erwiderte Pecos Pete höhnisch. »Schaff diesen verdammten Klepper weg, sonst kommst du in Teufels Küche.«
Rafe legte seine Hand auf seinen Peacemaker und sah sich um. War das Feuer eine List, um ihnen eine Falle zu stellen? Hatten sie damit gerechnet, dass sie Pecos Pete folgen würden? Zip und Heck könnten sie niederschießen und abhauen, und niemand würde davon erfahren. Seine Nackenhaare sträubten sich. Sie mussten weg von hier.
»Lady, wir müssen verschwinden. Das könnte eine Falle sein.«
Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Nein! Zuerst muss er mir sagen …«
»Später.« Rafe trat auf sie zu. »Wir nehmen Pecos Pete mit. Du bringst ihn auf dem Pferd von hier weg. Ich folge dir und halte dir den Rücken frei.«
»Ich will Copper nicht so stark belasten.«
»Wir haben keine andere Wahl.« Rafe riss ein Stück Leder vom Sattel des Hengstes und kniete sich neben sie. »Ruf dein Pferd zurück, damit ich diesen Mann fesseln kann.«
»Ihr solltet mich lieber in Ruhe lassen!« Pecos Pete starrte sie aus zusammengekniffenen Augen an.
Sie schaute auf den Pfad, der von Robber’s Cave weg auf das Tal unter ihnen führte. »Eine Falle? Ich kann wegen der Bäume nichts erkennen.«
»Wir sollten auf Nummer sicher gehen.«
Sie stand auf und gab Copper mit einer Handbewegung ein Zeichen. Der Hengst wich zurück.
Rafe drehte Pecos Pete auf den Bauch, band seine Handgelenke hinter seinem Rücken zusammen und zog ihn auf die Füße. Blut tropfte aus seinem verletzten Gesicht auf sein Hemd.
Rafe hievte den kleineren Mann hoch und legte ihn mit dem Gesicht nach unten über den Sattel. Copper scheute und tänzelte seitwärts, bis Lady ihm beruhigend eine Hand auf die Nüstern legte und mit der anderen die Zügel festhielt.
»Oh, nein!«, zischte Lady und hob eine Hand an den Kopf, als würde sie etwas hören. »Du hast recht. Wir sind in Gefahr!«
»Helft mir!«, brüllte Pecos Pete. »Sie haben mich erwischt!«
Donnernde Hufschläge näherten sich. Drei Reiter galoppierten den Pfad entlang. Dann fielen Schüsse.
»Los!«, rief Rafe und zog seinen Peacemaker. »Ich werde sie aufhalten.«
»Sie werden dich erschießen!«
Ein Schatten löste sich aus einer Baumgruppe neben dem Pfad und kam rasch näher. Der Mann nahm Lady die Zügel aus der Hand und sprang auf das Pferd.
»Crowdy!« Lady starrte ihn verblüfft an.
»Stone Corral.« Er kehrte um, hielt Pecos Pete mit einer Hand fest, umklammerte mit der anderen die Zügel und galoppierte in die sich senkende Dunkelheit hinein.
Rafe schob Sharlot hinter sich und erwiderte das Feuer. Rasch liefen sie in das Unterholz am Wegesrand. Kugeln flogen ihnen zischend um die Ohren. Als seine Munition verbraucht war, reichte Lady ihm Pecos Petes Revolver. Rafe packte ihn mit einer Hand, während er mit der anderen seinen Peacemaker zurück ins Halfter steckte. Sie krochen noch tiefer in das Dickicht, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
Schon bald würde die Nacht hereinbrechen. Das war wahrscheinlich ihr Glück, denn ihre Gewehre und weitere Munition befand sich bei ihren Pferden. Aber wenn sie sich jetzt bewegten, würden sie sich
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