Eine unheilvolle Begegnung
viel besser war als sein Traum. Er schüttelte seine Gedanken ab und konzentrierte sich auf Sam. »Was ist?«
»Wir sind an einer Straße. Ich wollte wissen, was wir machen sollen – die Straße nehmen oder besser noch weiter durch die Wildnis fahren?«
Morgan sah sich gründlich um. Tatsächlich, mitten durchs Nichts führte eine schmale asphaltierte Straße. Stellenweise war sie, wo der Wind Sand über die Fahrbahn gefegt hatte, kaum zu erkennen. Das Ganze kam ihm ziemlich unwirklich vor. Die Sonne brannte gnadenlos von einem wolkenlosen Himmel, der Wind war so heiß, dass er keinerlei Erleichterung brachte. Sein ganzer Körper war schweißnass, seine Kleidung durchtränkt. Trotzdem war ihm kalt, wahrscheinlich hatte er wirklich Fieber.
Schließlich wandte er sich wieder an Sam. »Welche Straße ist das?«
Wortlos beugte Sam sich über ihn und zog eine Straßenkarte aus dem Handschuhfach. Sie schlug sie an der richtigen Stelle auf und tippte dann mit einem Finger darauf. »Hier, es müsste die 139 sein. Sie führt von der Interstate 70 zum Highway 40.« Sie blickte ihn ernst an. »Wenn Ihre Freunde das Auto aus dem Graben bekommen oder Hilfe gerufen haben, dann könnte es sein, dass sie diese Straße hier nehmen. Andererseits führt sie genau zur 40, die wir nach Vernal fahren wollen.«
»Wollen wir das?«
»Ich schon, dort steht nämlich mein Auto. Außerdem hat Vernal einige Motels, in denen Sie bestimmt unterkommen können.« Sie blickte ihn bittend an. »Sind Sie sicher, dass ich Sie nicht in ein Krankenhaus bringen soll?«
Noch bevor sie die Frage beendet hatte, schüttelte Morgan den Kopf und zuckte dann zusammen. Irgendwie fühlte sich sein Kopf immer noch so an, als würde das Gehirn darin herumkullern. »Nein, es ist besser, wenn Sie mich irgendwo absetzen. Ich finde meinen Weg dann schon alleine. Aber danke, dass Sie so um mich besorgt sind.« Vor allem war er erleichtert, dass sie nicht etwa vorschlug, nach Grand Junction zu fahren, das genau in der anderen Richtung lag. Sicher würde Gerald ihn nicht in Vernal suchen.
Sam nickte resigniert. »Aber was machen wir jetzt?«
Morgan blickte sie forschend an. Die Anspannung begann Spuren in ihrem Gesicht zu hinterlassen. Leichte Schatten lagen unter ihren großen blauen Augen, eine Falte zog sich über die sonst glatte Stirn. Ihre volle Unterlippe sah so aus, als hätte sie sie mit den Zähnen bearbeitet. Außerdem standen ihre kurzen Haare zu allen Seiten ab, was aber auch am Fahrtwind liegen konnte. Morgan wagte nicht, sich vorzustellen, was für ein Bild er selbst zurzeit abgab. Erstaunlich, dass sie ihn trotz seines furchterregenden Anblicks gerettet und versorgt hatte.
»Ich glaube, es wäre besser, wenn wir abseits der Straße blieben. Zumindest bis wir in einer belebteren Gegend sind. Falls uns die Verbrecher wieder über den Weg laufen, haben wir auf dieser Straße mit dem langsamen Buggy keine Chance.«
Sam nickte knapp, wendete das Gefährt und fuhr wieder in die versteinerte Dünenlandschaft hinein. Hitze flimmerte über dem Sand und ließ den Eindruck von Wasser entstehen. Sie konnte jetzt verstehen, wie es Menschen ging, die halb verdurstet waren und eine Fata Morgana sahen – beängstigend. Während sie weiterhin vorsichtig über das unwegsame Gelände fuhr, warf sie immer wieder sorgenvolle Seitenblicke auf John. Er hatte seine Augen geschlossen und atmete flach die heiße Luft ein.
Im Tageslicht sah er noch furchtbarer aus als bei Nacht. Große Flächen seines Gesichts waren von schwarzblauen Blutergüssen gezeichnet, seine Augen waren zugeschwollen, seine Nase ebenfalls doppelt so dick. Jedenfalls nahm sie das an. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie er wohl ohne die Verletzungen und Schwellungen aussehen würde. Sie wusste nur, dass er zwar nicht besonders groß, aber dafür recht muskulös gebaut war. Er war genau richtig: nicht zu kräftig, aber auch nicht zu dünn. Genau richtig für wen? Sam schüttelte den Kopf und begrub diesen Gedanken mit einem leisen Gefühl des Bedauerns.
Kurze Zeit später folgten sie für eine Weile einer Straße, um den Green River zu überqueren. Danach wechselten sie wieder in die karge, einsame Landschaft. Etwa zwanzig Meilen weiter trafen sie kurz vor der kleinen Ortschaft Dinosaur auf den Highway. Von dort schafften sie die Strecke bis nach Vernal in weniger als einer Stunde. Trotzdem schien es Sam die längste Stunde ihres Lebens zu sein. Ständig hielt sie im Rückspiegel Ausschau nach
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