Eine unheilvolle Begegnung
kalt und klinisch wie viele der Betonbauten auf dem Campus. Vorsichtig stieg sie die enge Kellertreppe hinab und folgte dem endlosen Schlauch des Flures, bis sie ihr Büro erreichte. Tom wartete dort auf sie, die Hüfte gegen ihren alten Schreibtisch gelehnt.
»Nun, erzähl, was für einer ist es?«
Sam blickte ihn verwirrt an. »Wer ist was?«
»Der Saurier, ein bekannter oder eine neue Art?«
»Ich glaube, es ist ein Allosaurus. Aber das müssen wir noch genauer überprüfen. Vielleicht habe ich ja auch eine neue Unterart entdeckt.« Der Gedanke daran brachte sie zum Lächeln. Sie richtete sich auf und straffte die Schultern. »Ich sollte jetzt wohl lieber zu Marsh gehen, bevor er noch ausflippt.«
»Ich bringe in der Zeit schon mal deine Kisten rein.«
Sam lächelte Tom an, der hinter ihr herging. »Danke, das ist wirklich nett.«
Er grinste zurück. »Vielleicht wirst du ja jetzt berühmt, dann kann ich sagen, dass ich dir die Kisten geschleppt habe, als du deinen großen Fund gemacht hast.«
»Aha, ich wusste doch, dass du das nicht ohne Hintergedanken machst.«
»Du kennst mich eben.«
Lachend stiegen sie die Treppe hinauf und liefen dort direkt in die Arme von Professor Marsh.
Tom fing sich als Erster. »Ich werde dann mal die Kisten holen. Wir sehen uns später.« Damit war er auch schon verschwunden, der Feigling.
Sam seufzte innerlich und stellte sich dem unangenehmen Teil des Tages. »Ich wollte gerade zu Ihnen kommen, Professor.«
»Das freut mich zu hören, Samantha. Aber bitte, nennen Sie mich doch Charles, schließlich werden wir demnächst eng zusammenarbeiten, um Ihren Fund zu bestimmen.«
»Mir wäre es lieber, wenn wir bei Professor blieben. Schließlich sind Sie mein Vorgesetzter.« Und etwas anderes würde er auch nie, nie, nie werden. Schon der Gedanke daran ließ Sam erschauern.
Marshs Miene verfinsterte sich. »Wie Sie meinen, Samantha. Ich bin zwar sehr enttäuscht, aber ich werde Sie natürlich zu nichts zwingen.«
Ja, ja, nur wenn sich eine Gelegenheit dazu bot. Sam lächelte, so falsch sie konnte, und ging zur Treppe. »Soll ich Ihnen jetzt von meinem Fund berichten, oder passt es Ihnen gerade nicht?«
Das war der Köder, den Charles Marsh junior immer schlucken würde. Denn so viele charakterliche Fehler er auch haben mochte, er war mit Fleisch und Blut Paläontologe, und der Gedanke an den Fund eines neuen Skeletts erregte ihn, genauso wie er Sam oder Tom antrieb. Schade, dass er sonst so ein Idiot war.
»In Ordnung, gehen wir in mein Büro.« Marsh bedeutete ihr vorzugehen und folgte ihr dann.
Sam spürte seinen Blick auf sich und bemühte sich, ihren Ärger nicht zu zeigen. Als sie bei den Büros ankamen, bemerkte sie, dass alle anderen Mitarbeiter bereits gegangen waren und sie mit Marsh alleine war. Nur zögernd trat sie in sein geräumiges Büro und zuckte zusammen, als er die Tür hinter ihnen schloss.
Marsh setzte sich in seinen luxuriösen Sessel und betrachtete sie über die gewaltige Fläche seines polierten Schreibtisches hinweg. Er runzelte die Stirn. »Sie hätten sich aber durchaus noch umziehen können. So eilig war es dann doch nicht.«
Sam blickte an sich herunter und verzog den Mund, als sie die Flecken entdeckte. Dann zuckte sie die Schultern. »Es hörte sich an, als wäre es eilig, deshalb bin ich so schnell gekommen, wie ich konnte. Außerdem wollte ich noch die Kisten auspacken, und dann wäre ich sowieso wieder dreckig geworden.« Vor allem wollte sie so unansehnlich wie möglich aussehen, wenn sie dem Professor begegnete. Aber wenn sie seinen Blick richtig deutete, stellte er sie sich sowieso immer nackt vor, daher war es wohl egal, was sie anhatte.
»Die Kisten haben auch Zeit bis morgen. Berichten Sie mir erst einmal, was Sie entdeckt haben.«
Die folgende Viertelstunde war Sam ganz von ihrem Fund in Anspruch genommen. Ihre Berichterstattung wurde immer ausführlicher, bis Marsh schließlich eine Hand in die Höhe hielt. »Das reicht erst einmal. Haben Sie Fotos gemacht?«
Sam stutzte und schlug dann ihre flache Hand vor die Stirn. »Die Fototasche ist auch in einer der Kisten. Soll ich sie suchen?«
Marsh stand auf, kam um den Schreibtisch herum und lehnte sich dagegen. Seine Nähe ließ Sam so weit wie möglich in ihren Stuhl zurücksinken.
»Nein, das ist nicht nötig.« Seine Hand näherte sich ihrem Gesicht. »Wissen Sie, Samantha …« Er unterbrach sich, als es an der Tür klopfte. »Ja, was ist denn?« Seine Stimme verriet
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