Eine unheilvolle Begegnung
noch.«
»Ja?«
»Könnten Sie vielleicht nachschauen, ob alles in Ordnung ist?«
»Warum sollte ich das tun?«
»Weil ich Sie darum bitte?«
Ein tiefes Seufzen erklang, dann ein Rascheln, als hätte er eine Zeitschrift zur Seite gelegt. »Okay, bleiben Sie dran.« Ein Stuhl schrappte über den Boden, dann knallte eine Tür.
Gott, hoffentlich machte sie keinen Fehler, indem sie jemanden in das Zimmer schickte. Ihre Finger waren nass geschwitzt, als sie hörte, wie der Mann schließlich zurückkam.
»Da hängt ein »Bitte nicht stören«-Schild an der Tür, da kann ich nich’ rein.«
Sam biss die Zähne zusammen, um die scharfen Worte zurückzudrängen, die ihr auf der Zunge lagen. »Ich habe Grund zu der Annahme, dass die Person in dem Zimmer vielleicht ärztliche Hilfe benötigt. Wollen Sie sich wirklich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen?«
Der Mann brummelte etwas Unverständliches, dann knallte er den Hörer wieder auf den Tresen. Erregt sprang Sam auf und lief im Zimmer hin und her.
»Da is’ keiner.«
Abrupt blieb sie stehen. War das jetzt gut oder schlecht? »War sonst etwas in dem Raum? Tüten, Kleidung, irgendetwas?«
»Ne. War das jetzt alles?« Seine Ungeduld war offensichtlich. Wahrscheinlich musste er dringend zu seinem Playboy-Heft zurück.
»Eine Frage noch: Haben Sie Anzeichen dafür gesehen, dass die Person vielleicht unfreiwillig das Zimmer verlassen hat?«
Der junge Mann schwieg kurz. »Nein. Sah alles ordentlich aus, bis auf das Bett, das war etwas zerwühlt. Aber dafür haben wir ja auch das Zimmermädchen.«
Sam atmete auf. Vielleicht hatte John wirklich seinen Freund gerufen, und der hatte ihn abgeholt. Sie hoffte es zumindest. »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Wortlos legte er auf.
Nach einer langen, heißen Dusche gesellte sich Sam zu Cathy ins Wohnzimmer. Sie fühlte sich wieder etwas belebter. Noch immer zogen sich jedoch ihre Eingeweide zusammen, wenn sie darüber nachdachte, was in ihrem Haus geschehen war. Während sie darauf wartete, dass Cathy die angedrohte Milch erhitzte, ließ sie ihre Gedanken zu den verschiedenen Telefongesprächen wandern, die sie zuvor erledigt hatte. Ihre Eltern waren verständlicherweise beunruhigt gewesen und hatten ihr nahegelegt, nach Hause zurückzukommen. Doch sie hatte abgelehnt. Ihr Leben war jetzt hier, und sosehr sie ihre Eltern auch liebte, sie würde nicht wieder nach Hause gehen, sobald ihr eine etwas steifere Brise ins Gesicht blies.
Als Nächstes hatte sie wieder bei der Telefonnummer angerufen, die John ihr gegeben hatte. Sie bat noch einmal darum, dass er sie zurückrief, berichtete von dem Einbruch in ihr Haus und von den Fotos. Sie hinterließ Cathys Telefonnummer sowie ihre Büronummer. Es könnte natürlich sein, dass er schon einmal zurückgerufen hatte, doch da die Einbrecher auch ihren Anrufbeantworter zerstört hatten, konnte sie es nicht überprüfen. Cathys Rückkehr aus der Küche schreckte sie von ihren Gedanken auf. Sie hatte ihrer Freundin nur von dem Einbruch berichtet. Alles, was draußen bei der Ausgrabung passiert war, hatte sie für sich behalten. Sie wollte Cathy weder beunruhigen, noch unnötig in Gefahr bringen, also schwieg sie weiterhin.
Genau genommen wusste sie sowieso, was Cathy ihr sagen würde: Geh zur Polizei, und halt dich da raus. Vielleicht ist der Typ, den du gerettet hast, auch ein Verbrecher und sollte nicht beschützt, sondern verhaftet werden. Sam war klar, dass dieser Rat wohl vernünftig wäre. Aber irgendwie konnte sie sich nicht dazu durchringen, zur Polizei zu gehen und John zu verraten. Dadurch, dass sie John vor dem sicheren Tod bewahrt und seine Verletzungen gepflegt hatte, war zwischen ihnen ein Band entstanden, das Sam einfach nicht zerreißen konnte und wollte. Es war merkwürdig, eigentlich hatte sie sehr klare Vorstellungen von Recht und Unrecht. Und in diesem Fall spürte sie einfach, dass er ein guter Mensch war.
Sam rieb mit beiden Händen über ihr Gesicht. Gott, sie war wirklich völlig durcheinander. Wenn sie jetzt schon glaubte, fühlen zu können, ob jemand gut oder böse war …
»Wenn du dich lieber gleich hinlegen willst, verstehe ich das.«
Ruckartig hob Sam den Kopf und starrte Cathy an. »Nein, nein. Tut mir leid, ich war nur gerade in Gedanken. Mir geht es gut.« Sie schnitt eine Grimasse. »Außerdem kann ich vor dem Schlafen gut etwas Ablenkung gebrauchen.«
Cathy stellte die Milch auf den niedrigen Couchtisch und setzte sich Sam mit
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