Eine Unheilvolle Liebe
waren?
»Selbst wenn wir genau wüssten, wo wir sind, könnte es uns Tage kosten, den Ort auf der Karte zu finden. Aber so viel Zeit haben wir nicht.«
»Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als einfach weiterzugehen.«
Eine innere Stimme sagte mir, dass wir Lena vielleicht trotzdem finden könnten; die Frage war nur, ob uns die Tunnelkarte zu ihr führen würde oder ob ich es ganz allein schaffte.
Im Grunde war es egal, solange wir sie nur rechtzeitig fanden.
Wie hatte Tante Prue gesagt? Wenn der liebe Gott es will, dann wird alles gut.
Ein schlimmes Mädchen
19.6.
Meine Zuversicht hielt nicht lange an. Je mehr ich über Lena nachdachte, desto mehr dachte ich auch an John. Wenn Liv doch recht hatte und Lena niemals wieder so sein würde, wie ich sie kennengelernt hatte? Wenn wir tatsächlich zu spät kämen? Ich dachte wieder an die schwarzen Muster auf ihren Händen.
Ich grübelte immer noch, als ich plötzlich ein Geräusch vernahm. Anfangs war es undeutlich, und ich glaubte schon, ich hätte Lenas Stimme gehört. Aber als die vertraute Melodie erklang, merkte ich, dass ich mich getäuscht hatte.
Seventeen moons, seventeen years
Know the loss, stay the fears
Wait for him and he apppears
Seventeen moons, seventeen tears …
Mein Shadowing Song. Ich musste unbedingt herausfinden, was meine Mutter mir damit sagen wollte. Dir bleibt nicht mehr viel Zeit . Ihre Worte liefen in Endlos-Schleife in meinem Kopf. Und von wem war in dem Lied die Rede? Wait for him and he appears … Meinte sie damit Abraham?
Und wenn ja, was sollte ich tun?
Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich auf Links Frage nicht reagierte.
»Hast du das gehört?«, wiederholte er.
»Meinst du das Lied?«, fragte ich zurück.
»Was für ein Lied?« Er machte uns ein Zeichen, still zu sein. Er hatte von etwas anderem gesprochen. Hinter uns raschelte dürres Laub, obwohl sich nicht das leiseste Lüftchen regte.
»Ich kann …«, setzte Liv an, aber Link zischte: »Psst!«
Liv verdrehte die Augen. »Sind alle amerikanischen Kerle so tolle Helden wie ihr zwei?«
»Ich hab’s auch gehört.« Ich schaute mich um, aber da war nichts, keine Menschenseele.
Plötzlich stellte Lucille die Ohren auf. Und dann ging alles blitzschnell.
Was ich gehört hatte, war kein Mensch.
Es war Hunting Ravenwood, Macons Bruder – und sein Mörder.
Das Erste, was ich sah, war Huntings bedrohliches, unmenschliches Lächeln. Ein paar Schritte von uns entfernt nahm er Gestalt an, so schnell, dass meine Augen kaum folgen konnten. Dann erschienen noch ein Inkubus und noch einer. Sie tauchten aus dem Nichts auf, einer nach dem anderen, wie die Glieder einer Kette. Schließlich zog sich die Kette stramm und sie umringten uns.
Es waren Blut-Inkubi, alle hatten schwarze Augen und elfenbeinfarbene Fangzähne, alle bis auf einen. Larkin, Lenas Cousin und Huntings Lakai, hatte sich eine lange braune Schlange um den Hals geschlungen. Sie hatte die gleichen gelben Augen wie er selbst.
Er zeigte auf das Reptil, das sich an seinem Arm hinabschlängelte. »Eine Kupferkopfschlange. Widerliches kleines Biest. Man sollte sich besser nicht von ihr beißen lassen. Aber es gibt ja noch so viele andere Möglichkeiten, gebissen zu werden.«
»Wie recht du hast«, lachte Hunting und fletschte seine Fangzähne. Hinter ihm kauerte ein Tier, das aussah, als hätte es die Tollwut. Es hatte eine riesige Schnauze wie ein Bernhardiner, aber statt groß und traurig waren seine Augen stechend und kalt. Die Nackenhaare standen ab wie bei einem Wolf. Hunting hatte sich einen Hund zugelegt – oder etwas Ähnliches.
Liv klammerte sich an meinen Arm, ihre Fingernägel gruben sich in meine Haut. Wie gebannt starrte sie auf Hunting und sein Tier. Ich hätte wetten können, dass sie einen Blut-Inkubus bisher nur aus ihren Caster-Büchern kannte. »Das ist ein Bluthund. Sie sind auf Blut abgerichtet. Komm ihm nicht zu nahe.«
Hunting zündete sich eine Zigarette an. »Ah, Ethan, wie ich sehe, hast du dir eine sterbliche Freundin zugelegt. Wurde ja auch Zeit. Kompliment, sie ist garantiert kein Ladenhüter – oder sollte ich besser Hüterin sagen? « Er lachte über seinen faden Scherz und blies perfekte Rauchringe in den makellos blauen Himmel. »Da kriege ich ja beinahe Lust, euch laufen zu lassen.« Der Bluthund ließ ein tiefes Knurren hören. »Aber nur beinahe.«
»Sie … Sie können uns unbesorgt laufen lassen«, stammelte Link. »Wir werden es niemandem
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