Eine Unheilvolle Liebe
herkam.
»Das geht nicht und das weißt du auch.«
Die Sonne schien hell durch die Blätter. Ich konnte nicht allzu viel erkennen außer Stiefeln – Lenas abgewetzte und die schweren schwarzen von John. Die beiden waren nur ein paar Schritte von mir entfernt.
Dann sah ich auch ihre Gesichter. Lenas Miene war trotzig. Ich kannte diesen Ausdruck. »Sarafine hat sie entdeckt. Vielleicht sind sie schon tot!«
John machte einen Schritt auf sie zu. Plötzlich zuckte er zusammen. Das Gleiche war ihm passiert, als ich ihn und Lena das erste Mal beobachtet hatte. Es war eine unbewusste Reaktion, ein Zeichen, dass er Schmerzen hatte. Er blickte ihr tief in die goldenen Augen.
»Du meinst, vielleicht ist Ethan schon tot.«
Sie wich seinem Blick aus. »Ich meine alle. Machst du dir denn überhaupt keine Sorgen um Ridley? Sie ist spurlos verschwunden. Meinst du nicht, dass beides zusammenhängen könnte?«
»Beides?«
Lena verkrampfte sich. »Meine Cousine verschwindet und Sarafine taucht wie aus dem Nichts auf.«
Er griff nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit ihren, so wie ich es immer gemacht hatte. »Deine Mutter ist immer irgendwo, Lena. Sie ist die mächtigste Dunkle Caster der Welt. Weshalb sollte sie Ridley etwas antun, die doch ebenfalls eine Dunkle Caster ist?«
»Ich weiß es nicht.« Lena schüttelte den Kopf, aber ihre Entschlossenheit schwand. »Es ist nur …«
»Was?«
»Wir sind zwar nicht mehr zusammen, trotzdem möchte ich nicht, dass ihm etwas passiert. Er wollte mich beschützen.«
»Wovor?«
Vor mir selbst .
Ich hatte es gehört, obwohl sie es nicht laut ausgesprochen hatte.
»Vor vielen Dingen. Damals war alles so anders.«
»Du hast dich für jemanden ausgegeben, der du gar nicht warst. Du wolltest, dass alle glücklich sind. Ist dir je in den Sinn gekommen, dass er dich gar nicht beschützen, sondern mit allen Mitteln festhalten wollte?«
Mein Herz pochte wie verrückt und jede meiner Fasern war zum Zerreißen gespannt.
Nicht er hat mich, sondern ich habe ihn festgehalten .
»Weißt du, ich hatte auch mal eine Sterbliche als Freundin.«
»Tatsächlich?«, fragte Lena überrascht.
John nickte. »Ja, sie war süß und ich habe sie geliebt.«
»Und was ist dann passiert?« Lena hing an seinen Lippen.
»Es war zu kompliziert. Sie verstand mein Leben nicht, sie begriff nicht, dass ich nicht immer tun konnte, was ich wollte …« Seine Erklärung klang aufrichtig.
»Und weshalb konntest du nicht tun, was du wolltest?«
»Ich hatte eine harte Kindheit, wie man so schön sagt. Ich wuchs wie in einer Zwangsjacke auf. Sogar für die Regeln gab es Regeln.«
Lena sah ihn verständnislos an. »Heißt das, es gab Regeln, wenn du dich mit sterblichen Mädchen verabreden wolltest?«
Wieder zuckte John zusammen, diesmal krümmte er sich sogar. »Nein, das meinte ich nicht. Ich wurde so streng erzogen, weil ich anders war. Der Mann, der mich großzog, war mehr Vater für mich als irgendwer sonst, und er wollte nicht, dass ich jemandem wehtat.«
»Ich will auch niemandem wehtun.«
»Du bist anders. Ich meine, wir sind anders.«
John nahm Lenas Hand und zog sie an sich. »Mach dir keine Sorgen, wir werden deine Cousine schon finden. Ich wette, sie ist mit diesem Drummer aus dem Tortur abgehauen.«
Was den Drummer anging, hatte er recht, allerdings war es nicht der, den er meinte. Und überhaupt, was war das für ein Name? Lena trieb sich mit Leuten wie John in Clubs herum, die Exil oder Tortur hießen. Vielleicht war das auch eine Art Selbstbestrafung.
Lena schwieg, aber sie ließ Johns Hand nicht los. Ich wollte ihnen unbedingt folgen, aber ich schaffte es nicht. Ich war nicht Herr meiner selbst. Das merkte ich schon an meinem merkwürdigen Beobachtungspunkt so dicht am Boden. Immer musste ich zu ihnen hochsehen, weiß der Teufel, warum. Aber es war auch egal, denn jetzt rannte ich wieder, rannte durch einen dunklen Tunnel. Oder war es eine Höhle? Und während die schwarzen Wände an mir vorbeihuschten, roch ich das Meer.
Verblüfft rieb ich mir die Augen. Ich lag nicht auf dem Boden, sondern stapfte hinter Liv her. Es war unglaublich, ich hatte Lena an irgendeinem Ort beobachtet, und gleichzeitig war ich Liv gefolgt. Wie passte das zusammen?
Diese seltsamen Visionen, in denen ich die Dinge aus merkwürdigen Blickwinkeln sah, diese vorbeihuschenden Bilder – was ging da vor sich? Wieso konnte ich Lena und John sehen? Ich musste dieses Rätsel lösen.
Ich blickte auf meine
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