Eine Unheilvolle Liebe
probieren.«
Ich lachte in mein Colaglas und der Inhalt spritzte auf mein verwaschenes Atari-T-Shirt. Das Ovomaltine-Mädchen trifft den Nesquik-Jungen. Ich hätte es am liebsten Link erzählt, aber er hätte garantiert die falschen Schlüsse gezogen.
Obwohl ich sie erst seit ein paar Stunden kannte, hatte ich eindeutig das Gefühl, dass wir Freunde waren.
»Was machst du, wenn du keine Ovomaltine trinkst oder wissenschaftliche Messgeräte herstellst, Olivia Durand aus Kings Langley?«
Sie zerknüllte das Papier, in das ihr Cheeseburger eingewickelt war. »Lass mich nachdenken. Eigentlich verbringe ich die meiste Zeit damit, zu lesen und in die Schule zu gehen. Meine Schule ist in Harrow. Nicht zu verwechseln mit dem Jungeninternat.«
»Harrow? Klingt wie Horror.«
Sie rümpfte die Nase. »Du lässt wohl keinen schlechten Witz aus, was?«
»Und? Stimmt es denn?«
»Was?«
»Ist die Schule in Harrow der Horror?«
»Nein, ist sie nicht. Jedenfalls nicht für mich.«
»Warum nicht?«
»Na ja, das liegt wohl daran, dass ich ein Genie bin.« Sie sagte das ganz trocken, als würde sie mir gerade erklären, dass sie blonde Haare hatte und aus Großbritannien kam.
»Und warum bist du ausgerechnet in unsere Stadt gekommen? Gatlin ist nicht gerade ein Mekka für Genies.«
»Ich nehme an einem Akademischen Austauschprogramm für Hochbegabte zwischen der Duke University und meiner Schule teil. Gibst du mir mal die Mayonnaise?«
»Mann-naise«, sagte ich betont langsam, um ihr zu demonstrieren, wie wir es aussprechen.
»Hab ich doch gesagt.«
»Aber warum hat dich die Duke University nach Gatlin geschickt? Du hättest auch Kurse am College in Summerville belegen können.«
»Nein, Dummerchen. Hier kann ich mit der Betreuerin meiner Abschlussarbeit zusammenarbeiten, mit der berühmten Professor Dr. Marian Ashcroft, die wirklich ihresgleichen sucht.«
»Und worüber geht deine Abschlussarbeit?«
»Über Brauchtum und Mythologie und ihre Bedeutung für die Einheit der Nation nach dem Bürgerkrieg.«
»Die meisten Leute hier nennen ihn immer noch den Krieg zwischen den Staaten«, sagte ich.
Sie lachte entzückt. Schön, wenn sie das lustig fand; für mich war es einfach nur peinlich. »Stimmt es, dass die Leute hier im Süden manchmal die alten Bürgerkriegsuniformen anziehen und die Schlacht zum Spaß nachspielen?«
Ich stand auf. Wenn ich so etwas sagte, war es eine Sache. Etwas anderes war es, das von Liv zu hören. »Ich denke, wir sollten jetzt gehen. Wir müssen noch Bücher ausliefern.«
Liv nickte und nahm ihre Pommes. »Die können wir aber nicht hier liegen lassen. Lucille wird sich darüber freuen.«
Ich ersparte ihr den Hinweis, dass Amma Lucille mit Brathähnchen verwöhnte und ihr die Auflaufreste auf einem eigens für die Katze reservierten Porzellanteller servierte, wie die Schwestern es ihr nahegelegt hatten. Nie und nimmer würde Lucille fettige Pommes zu sich nehmen. Lucille war eine sehr spe-zi-elle Katze, wie die Schwestern sagen würden. Aber immerhin schien sie Lena zu mögen.
Als wir zur Tür gingen, fiel mein Blick durch die fettverschmierten Fensterscheiben auf ein Auto. Einen schwarzen Sportwagen. Er wendete am Rand des geschotterten Parkplatzes.
Sie fuhr also absichtlich nicht an uns vorbei.
Na toll.
Ich stand da und sah zu, wie der Wagen reifenquietschend in die Dove Street einbog.
In dieser Nacht lag ich in meinem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und starrte an die blau gestrichene Decke. Vor ein paar Monaten hatte ich es auch so gemacht, damals waren Lena und ich in unseren Schlafzimmern gelegen, sie in Ravenwood Manor, ich in Wates Landing, und hatten gelesen, geredet, gelacht. Damals und noch viele Abende danach. Ich war es gar nicht mehr gewöhnt, ohne sie einzuschlafen.
Ich drehte mich auf die Seite und betrachtete mein altes, ramponiertes Handy. Seit Lenas Geburtstag funktionierte es nicht mehr richtig, aber wenigstens klingelte es, wenn jemand anrief. Wenn jemand anrief.
Was Lena garantiert nicht tun würde. Bisher hatten wir auch nie ein Telefon gebraucht.
Ich lag da und kam mir vor, als wäre ich wieder sieben Jahre alt. Damals hatte ich jedes Puzzle in meinem Zimmer in ein einziges Riesendurcheinander verwandelt. Meine Mutter hatte sich dann immer zu mir auf den Fußboden gesetzt und mir dabei geholfen, aus diesem Durcheinander ein Bild zu machen. Aber ich war kein Kind mehr und meine Mutter war tot. Ich drehte und wendete die Puzzleteile in meinen
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